KI zur Erkennung und Überwachung von Infrastrukturdefekten

Dank den jüngsten Fortschritten im Bereich der künstlichen Intelligenz (KI) können Bauingenieurfachleute grosse Infrastrukturen effizienter und kostengünstiger inspizieren und gleichzeitig das Fortschreiten des Schadensausmasses im Laufe der Zeit überwachen. Ein Team von EPFL-Forschenden hat die Machbarkeit einer KI-gesteuerten Methode zur Erkennung, zum Wachstum und zur Überwachung von Rissen nachgewiesen und wird sie demnächst auf der Bahnstrecke zwischen Zermatt und Brig im Kanton Wallis testen.
Die Matterhorn-Gotthard Bahn verbindet die Ebene mit Zermatt. © iStock Photos

KI kann zur Verbesserung der Eisenbahnsicherheit beitragen, indem sie automatische Inspektionen von Gleisen, Schwellen, Schotter und Stützmauern ermöglicht. Forschende des EPFL-Labors Intelligent Maintenance and Operations Systems (IMOS) haben eine KI-gestützte Methode entwickelt, die die Effizienz der Risserkennung in Betonstrukturen verbessert. Ihre Forschungsarbeit, die kürzlich in der Zeitschrift Automation in Construction veröffentlicht wurde, stellt eine neuartige Methode vor, bei der erklärbare künstliche Intelligenz (KI) zum Einsatz kommt, d. h. eine Form der KI, die es den Benutzenden ermöglicht, die Grundlage der KI-Entscheidungen zu verstehen.

«Wir haben einen Algorithmus darauf trainiert, zwischen Bildern mit und ohne Risse in Betonwänden zu unterscheiden [eine binäre Klassifizierungsaufgabe], indem wir ihn mit Hunderten von Bildbeispielen aus beiden Kategorien fütterten. Dann haben wir den Algorithmus gebeten, die Pixel zu markieren, die er für seine Entscheidung verwendet hat», sagt Florent Forest, Wissenschaftler am IMOS-Labor und Hauptautor der Studie. Der Algorithmus identifizierte erfolgreich die Pixel, die Rissen entsprechen: «Mit unserem Ansatz können die Benutzenden den Algorithmus mit Bildern füttern, die über mehrere Jahre hinweg von einem Eisenbahnabschnitt – oder von jeder anderen Art von Infrastruktur, die regelmässig inspiziert wird – aufgenommen wurden, und ihn bitten, den Schweregrad von Rissen in Wänden und Schwellen im Laufe der Zeit zu quantifizieren. Dies hilft den Infrastrukturbetreibern, ihre Instandhaltung effektiver zu planen», sagt er.

Betonschwellen müssen von den Betreibern des Schienennetzes instand gehalten werden. © iStock Photos

Verbesserte Inspektionen

Gegenwärtig inspizieren die Eisenbahnbetreiber regelmässig den Zustand von Infrastrukturen wie Stützmauern anhand vordefinierter Kriterien, wobei die Noten von erfahrenen Inspektorinnen und Inspektoren vergeben werden. Dieses Verfahren ist jedoch oft anfällig für subjektive Bewertungen und macht es schwierig, Veränderungen im Laufe der Zeit zu verfolgen, insbesondere wenn verschiedene Inspektoren denselben Infrastrukturabschnitt zu unterschiedlichen Zeitpunkten bewerten.

Dank der fortschreitenden Digitalisierung können Bahnbetreibende den Zustand der Gleise mithilfe eines speziellen Überwachungswagens überwachen, der mit verschiedenen Messgeräten sowie Seiten- und Bodenkameras für die visuelle Inspektion von Schienen, Betonschwellen und Stützmauern ausgestattet ist. Durch den Einsatz dieser KI-gesteuerten Systeme zur Quantifizierung des Schadensausmasses kann der Inspektionsprozess automatisiert werden, was ihn objektiver und genauer macht und einen Vergleich im Zeitverlauf erleichtert.

Das EPFL-Forschungsteam wird seine Methode an Bahnabschnitten zwischen Zermatt und Brig sowie zwischen Brig und Disentis testen. Diese Abschnitte umfassen eine Reihe von Stützmauern unterschiedlicher Formen und Materialien, was die Aufgabe für den Algorithmus erheblich erschwert. Das Team hat bereits Drohnenbilder und die Bilder des Überwachungswagens gesammelt und wird den Bahnbetreiber mit seinem KI-Algorithmus dabei unterstützen, seine Infrastruktur häufiger und systematischer zu überwachen.

Diese Forschung wurde durch ein Stipendium der EPFL-Fakultät für Architektur, Ingenieurwesen und Umwelt (ENAC) finanziert, das die Zusammenarbeit zweier EPFL-Labors ermöglichte: das IMOS-Labor (Intelligent Maintenance and Operations Systems) und das ECEO-Labor (Environmental Computational Science and Earth Observation).