Kirschessigfliege richtet auch im Wald grosse Schäden an
Früchte diverser Waldpflanzen sind stark befallen, was erhebliche ökologische Schäden zur Folge haben kann. Direkte Auswirkungen spüren auch Beerensammler: saftige Heidelbeeren und Holunderfrüchte sind Mangelware.
Die aus Südost- und Ostasien stammende, etwa 2,5–3,5 Millimeter grosse Kirschessigfliege (Drosophila suzukii) wurde 2008 nach Europa eingeschleppt. Seither verursacht sie massive Ernteausfälle im Obst- und Weinbau und hat dadurch viel Aufmerksamkeit erlangt. Der Fokus der Forschung lag bisher auf der Landwirtschaft und suggeriert, dass die Kirschessigfliege nur in landwirtschaftlichen Kulturen Schaden anrichten kann.
Invasive Arten – darunter versteht man Arten, die sich rasch ausbreiten und Überhand nehmen – können natürliche Lebensräume sowie Ökosysteme verändern und heimische Arten verdrängen. Wie häufig die gebietsfremde Fliege in unseren Wäldern vorkommt, welche Früchte sie wie stark befällt und welche Auswirkungen dies auf das Waldökosystem hat, ist jedoch noch unzureichend bekannt. Deshalb haben die Kantone Zug und Zürich, wissenschaftlich beraten von der Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL, ein entsprechendes Projekt durchgeführt.
Starker Befall bei diversen Waldpflanzen
Für Studie hat das Ökobüro Biotopia von Mitte Juni bis Mitte Oktober 2020 an insgesamt 64 Stellen das Auftreten der Kirschessigfliege und die Schäden an Waldfrüchten untersucht. Insgesamt 12'000 Früchte wurden auf Eiablagen der Kirschessigfliege geprüft. Von 39 untersuchten potentiellen Wirtspflanzen waren die Früchte von 31 Pflanzenarten befallen.
Der Befall war bei manchen Waldpflanzen sehr stark: Bei 19 Pflanzenarten hatten die Fliegen in über 50% aller Früchte Eier gelegt. Bei Beerensammler beliebte Waldfrüchte wie Brombeeren, Heidelbeeren, Himbeeren oder Holunderfrüchte waren auch für die Kirschessigfliege besonders attraktiv. «Die Auswirkungen sind massiv» sagt Irene Bühlmann vom Ökobüro Biotopia. «Beim Schwarzen Holunder lag die Befallshäufigkeit bei 83%. Dies bedeutet, dass von den geschätzten 70‘000 vorhandenen Holunderfrüchten auf allen Untersuchungsflächen vermutlich knapp 60‘000 Früchte von der Kirschessigfliege befallen waren». In Insektenfallen in den Untersuchungsgebieten waren bis zu 95% aller gefangenen Essigfliegen Kirschessigfliegen. Dies zeigt, wie häufig und extrem dominant die gebietsfremde Kirschessigfliege gegenüber einheimischen Fliegen ist.
Weitreichende ökologische Konsequenzen
Das weiträumige Massenvorkommen der gebietsfremden Fliege in den Wäldern und der starke Befall von Waldpflanzen bleiben nicht ohne Folgen, erklärt Martin Gossner, Leiter der Gruppe Waldentomologie an der WSL, der die Studie wissenschaftlich begleitet hat: «Nebst den bekannten wirtschaftlichen Schäden in der Landwirtschaft verursacht die Kirschessigfliege ebenso ökologische Schäden im Wald. Sie reduziert die Nahrungsquellen fruchtfressender Tiere, die Samenausbreitung stark befallener Pflanzen und sie verdrängt einheimische Fliegenarten. Darüber hinaus macht uns die Kirschessigfliege das Sammeln schmackhafter Waldfrüchte madig.»
Durch die Eiablage zerstört die Fliege den mechanischen Schutz der Fruchthaut, wodurch die Frucht mit Mikroorganismen und Schimmelpilzen infiziert wird. Von diesen ernähren sich die Fliegenlarven. Der Befall beschleunigt den Zerfall, die Früchte verrotten und werden ungeniessbar. Angesichts der grossen Zahl von befallenen Beeren sind gravierende ökologische Folgen nicht auszuschliessen. Viele Tiere wie zum Beispiel Vögel sind auf Früchte als Nahrungsquelle angewiesen und spielen zudem eine wichtige Rolle bei der Ausbreitung von fruchttragenden Pflanzen. Befallene Pflanzen erleiden deshalb einen erheblichen Nachteil für ihre Ausbreitung und ihr langfristiges Bestehen.
Die genauen ökologischen Auswirkungen sind noch nicht abschliessend geklärt, ebenso wenig wie eine wirkungsvolle Bekämpfung der Fliege. Denkbar wären waldbauliche Massnahmen, wie die Förderung von Gehölzen mit Früchten, die sich für die Entwicklung der Fliege schlecht eignen, oder von natürlichen Gegenspielern im Wald. «Wir müssen besser verstehen, welche Faktoren die Kirschessigfliege begünstigen, um eingreifen zu können», erklärt Gossner. Die neuen Erkenntnisse dieser Studie und die Veröffentlichung in der Zeitschrift „Wald und Holz“ für Waldfachleute seien ein erster, wichtiger Schritt zur Lösungssuche.