Neuartige Wetterradiosonde findet ihren Weg zurück
In vielen Ländern ist es üblich, zweimal am Tag Radiosonden an Wetterballons zu starten. Diese Instrumente steigen zwei Stunden lang in die Stratosphäre auf und sammeln Daten über Windgeschwindigkeit und -richtung, Temperatur, Druck und Luftfeuchtigkeit in verschiedenen Höhen - wichtige Informationen für die Erstellung von Wettervorhersagen und die Verbesserung von Klimamodellen. Die Wetterballons werden in der Regel mit Wasserstoff aufgeblasen, und wenn sie eine Höhe von etwa 35'000 Metern erreichen, lässt der niedrige atmosphärische Druck sie platzen und die Radiosonden fallen. Beim Sturz auf den Boden werden die Instrumente von Windströmungen mitgerissen und landen manchmal im Wasser oder in sehr abgelegenen Gebieten. Von den rund 600'000 Radiosonden, die jedes Jahr weltweit gestartet werden, werden etwa 80 % nie gefunden. Yohan Hadji, Masterstudent an der EPFL, hat eine Lösung für dieses Problem entwickelt: eine neuartige Radiosonde, die automatisch zu einem vorher festgelegten Ort zurückfliegen kann. Sein Gerät wurde diesen Sommer vom Bundesamt für Meteorologie und Klimatologie (MeteoSchweiz) getestet, und auch Wetterämter in anderen Ländern interessieren sich dafür: «Frankreich, Grossbritannien, Deutschland, Kroatien und Kanada wollen es ebenfalls ausprobieren», sagt Hadji, der gerade ein Startup namens R2Home gegründet hat.
Die Algorithmen passen sich den Windmessungen während des Aufstiegs an
Hadjis Radiosonden sind an kleinen Schaumstoffgleitern befestigt, die mit einem Leitsystem ausgestattet wurden. Die gesamte Einheit wiegt nur 250 Gramm und wird von einem Wetterballon in die Luft gehoben: «Mein Gerät besteht aus einer Standard-Radiosonde in einem flügelförmigen Kasten», sagt er, «es ist klein und leicht genug, um nach der Klassifizierung des BAZL [Bundesamt für Zivilluftfahrt] als konventionelle Radiosonde zu gelten.«Das Leitsystem verwendet einen Algorithmus, um die optimale Flugbahn für die Rückkehr zum Startpunkt der Radiosonde oder zu einem anderen im GPS programmierten Standort zu berechnen. Die Entwicklung des Systems war angesichts des ultraleichten Materials des Segelflugzeugs eine echte technische Herausforderung: «Ich musste einen Algorithmus entwickeln, der die Windmessungen während des Aufstiegs berücksichtigt», sagt Hadji, «in manchen Höhen kann der Wind Geschwindigkeiten von über 200 km/h erreichen!»
Hadji stellte seine Erfindung Meteorologen und Fachleuten des BAZL vor, die sich für ihre Machbarkeit und Zuverlässigkeit interessierten. Das BAZL gab ihm die Möglichkeit, seine ersten Testflüge unter realen Bedingungen durchzuführen. Insgesamt wurden Hadjis Segelflugsegel rund 60 Mal in der Schweiz getestet, davon rund ein Dutzend Mal in der Wetterstation von MeteoSchweiz in Payerne in diesem Sommer. Bei jedem Testflug kehrte das Segelflugzeug erfolgreich bis auf einen Radius von 15 Metern an den gewünschten Ort zurück. «Die ersten Ergebnisse sind sehr vielversprechend», sagt Yves-Alain Roulet, Leiter der Abteilung Messtechnik bei MeteoSchweiz, «jetzt müssen wir die Leistung des Systems unter komplizierteren Wetterbedingungen testen.»
Die Schweiz ist führend bei der Bergung verlorener Radiosonden: Rund 75 % werden gefunden, im Vergleich zu 20 % im weltweiten Durchschnitt: «Das liegt daran, dass wir eine sehr aktive Gemeinschaft von Radiosondenjägern haben», sagt Hadji. Doch weniger als 1 % der wiedergefundenen Radiosonden wird tatsächlich wieder verwendet, da die Temperatur- und Feuchtigkeitssensoren nach so langer Zeit im Freien beschädigt werden. Mein Gerät kann dazu beitragen, dass das nicht passiert, so dass die Radiosonden für zahlreiche Flüge verwendet werden können», sagt Hadji.
Die Radiosonde von Hadji kann zwar zum Startort zurückkehren, aber erfüllt sie auch ihre Hauptaufgabe, nämlich genaue Messungen zu machen? Die MeteoSchweiz führte Vergleichstests durch, um dies herauszufinden: «Unsere ersten Tests ergaben keinen signifikanten Unterschied zwischen der in den R2Home-Segler eingebauten Radiosonde und einer Standard-Radiosonde», sagt Roulet, «aber auch hier sind weitere Tests erforderlich, unter anderem bei Wetterbedingungen, die für alle vier Jahreszeiten repräsentativ sind. «Diese ermutigenden Ergebnisse ebneten Hadji den Weg zur Teilnahme an der Technischen Konferenz der Weltorganisation für Meteorologie über meteorologische und umweltbezogene Instrumente und Beobachtungsmethoden (TECO), die dieses Jahr Ende September in Wien stattfand.
Der heute 20-jährige Hadji begann 2019 während seiner Schulzeit in Grenoble mit der Arbeit an seiner Erfindung. Seitdem durchläuft er die verschiedenen Phasen der Produktentwicklung in rasantem Tempo – auch wenn er auf dem Weg dorthin auf einigen Gegenwind stösst: «Bis 2023 war meine Idee zum Beispiel, die Radiosonde an einem Fallschirm statt an einem Schaumstoffgleiter zu befestigen», sagt er. «Aber diese Konstruktion wäre in sehr grossen Höhen problematisch gewesen.» Vielleicht entwickelt er diesen Ansatz auch in Zukunft weiter, denn er glaubt, «dass dies eine attraktive Option für schwerere und teurere Nutzlasten sein könnte.»
Durchführung von Tests mit ausländischen Wetterämtern
Seit 2022 hat Hadji von einer Reihe lokaler Förderprogramme für Unternehmer profitiert: Das Programm Blaze der EPFL, die Stiftung für Innovation und Technologie, die Sylvie Rusconi Foundation und seit kurzem auch Venture Kick. Sein Start-up wurde vor kurzem von Meteomatics übernommen, einem Schweizer Unternehmen, weltweit führender Anbieter von Wetterinformationen. Im Moment konzentriert sich Hadji auf die Vorbereitung der Tests mit ausländischen Wetterdiensten. Die vielen Radiosondenverfolger auf der ganzen Welt könnten bald mit leeren Händen nach Hause kommen.