Krankheiten bis ins Zellherz verfolgen

Die medizinische Bildgebungstechnologie – wie MRI, Ultraschall und Röntgen – wird immer leistungsfähiger und präziser, insbesondere im Zuge der jüngsten Durchbrüche in der künstlichen Intelligenz. Mehrere Forschungsgruppen der EPFL tragen zu diesem Fortschritt bei und gestalten die Zukunft in diesem Bereich aktiv mit.
fMRI des Rückenmarks - 2024 EPFL - CC-BY-SA 4.0

Dank der Fortschritte in der medizinischen Bildgebung können Ärzte einen Knochenbruch lokalisieren, einen Tumor erkennen und ein Baby in der Gebärmutter beobachten – und das alles auf völlig nichtinvasive Weise. Es ist nicht abzusehen, wie weit wir eines Tages in den menschlichen Körper hineinsehen können. Die Technologie entwickelt sich in rasantem Tempo weiter und erzeugt Bilder mit immer höherer Auflösung, mit denen sich immer kleinere Anomalien erkennen lassen.

Im Bereich der Magnetresonanztomographie (MRT) hat Prof. Dimitri Van De Ville, Leiter des Labors für medizinische Bildverarbeitung der EPFL, zwei gegensätzliche Trends ausgemacht.

«Der erste Trend besteht in der Erhöhung der Magnetfeldstärke der Geräte, die es ihnen ermöglicht, winzige Unregelmässigkeiten wie mikroskopische Verletzungen und Krebszellen im Frühstadium zu erkennen», sagt Van de Ville.

Die meisten MRT-Geräte in Krankenhäusern haben heute ein Magnetfeld von 1,5 oder 3 Tesla. Ingenieurfachleute der Kommission für alternative Energien und Atomenergie in der Nähe von Paris haben ein Gerät mit einem Magnetfeld von 11,7 Tesla erfunden – das stärkste der Welt. Laut Prof. Jean-Philippe Thiran, Leiter des EPFL-Labors für Signalverarbeitung, «können wir mit einem stärkeren Magnetfeld schwache Signale, die sonst nur schwer zu erfassen sind, besser auffangen und so mehr Informationen erhalten».

An der EPFL haben Ingenieurfachleute eine 7-Tesla-Maschine entwickelt, die stark genug ist, um menschliche Gehirne in vivo nach Nervenschichten abzubilden. Prof. Friedhelm Hummel, Inhaber des Defitech-Lehrstuhls für klinisches Neuroengineering, erklärt: «Dadurch werden wir die Strukturen des menschlichen Gehirns besser verstehen, denn bis jetzt ist die genaue Rolle der einzelnen Strukturen nicht wirklich klar.»

Der zweite Trend, den Van De Ville ausgemacht hat, geht in die entgegengesetzte Richtung: die Entwicklung von Geräten, die ein Magnetfeld von deutlich unter 1,5 Tesla haben, aber dennoch Bilder von ausreichender Qualität für eine fundierte Diagnose liefern können. Ziel ist es, kostengünstige Geräte zu entwickeln, die leicht zu transportieren und zu installieren sind, was vor allem in Entwicklungsländern von Nutzen sein kann: «Dies wird dank bahnbrechender Entwicklungen im Bereich der bildgebenden Sensoren, der Geräte und der Datenverarbeitung möglich sein, von denen einige hier an der EPFL gemacht werden», sagt Van De Ville.

«Je stärker das Magnetfeld ist, desto besser können wir schwache Signale auffangen, die sonst nur schwer zu erfassen sind, und erhalten so detailliertere Informationen.»      Jean-Philippe Thiran, Leiter des Labors für Signalverarbeitung der EPFL

Das Comeback des Ultraschalls

Eine andere bildgebende Technik, der Ultraschall, hat sich seit seiner Erfindung kaum verändert: «Mit Ultraschall kann man zum Beispiel den Herzschlag eines Patienten oder die Bewegungen eines Babys im Mutterleib beobachten», sagt Thiran, der sich auf diese Technik spezialisiert hat.

In den letzten Jahren haben die Forschenden das Potenzial des Ultraschalls neu entdeckt, da er mit Systemen gekoppelt werden kann, die Echtzeitberechnungen durchführen: «Die neuesten Geräte sind mit extrem leistungsfähigen Rechnern ausgestattet, die riesige Datenmengen in Echtzeit verarbeiten können», sagt Thiran, «so können wir beispielsweise die physikalischen Eigenschaften eines Gewebes wie seine Elastizität messen. Das wird für die Erkennung von Leberzirrhose und anderen Leberkrankheiten nützlich sein».

Mit den leistungsstarken Rechnern werden auch die Ultraschallgeräte viel schneller laufen. Heute können sie 30 bis 40 Bilder pro Sekunde erzeugen, aber in nicht allzu ferner Zukunft wird ihre Leistung auf 1000 bis 2000 Bilder pro Sekunde ansteigen: «Das wird es den Ärztinnen und Ärzten ermöglichen, dynamische Prozesse wie den Blutfluss zu beobachten, auch im Gehirn», sagt Thiran.

Die Revolution der künstlichen Intelligenz

Künstliche Intelligenz, einschliesslich maschinellen Lernens, Datenverarbeitung und Algorithmen, wird eine Schlüsselkomponente der medizinischen Bildgebungssysteme von morgen sein. «KI revolutioniert den Bereich der medizinischen Bildgebung, weil sie es Ärzten ermöglicht, Informationen aus verschiedenen Arten von Patientenuntersuchungen zusammenzustellen», sagt Van De Ville. «Bald werden sie in der Lage sein, die Ergebnisse einer MRT mit denen einer Röntgenaufnahme oder sogar mit den Krankenakten eines Patienten zu kombinieren, um einen umfassenden Überblick über eine Krankheit oder die Funktion eines bestimmten Organs zu erhalten.»

Van De Ville, der sich in seiner Forschung mit der Modellierung des menschlichen Gehirns befasst, rechnet damit, dass Ärztinnen und Ärzte eines Tages in der Lage sein werden, Prognosen zu erstellen, indem sie einem interaktiven Programm Fragen stellen: «KI kann schon jetzt eingesetzt werden, um Bilder zu klassifizieren und Anomalien zu erkennen, aber die Technologie wird noch weiter gehen und noch leistungsfähiger werden», sagt er. Thiran stimmt ihm zu: «Bald wird man von computergestützter oder kalkulatorischer medizinischer Bildgebung sprechen. Das Ziel all dieser Fortschritte ist es, die menschlichen Organe besser zu verstehen und Krankheiten effektiver zu erkennen».

Thiran weist jedoch darauf hin, dass die KI-gestützte Bildgebung ihre Grenzen hat: «Wir müssen KI-Programme mit qualitativ hochwertigen Modellen trainieren, damit die von ihnen erzeugten Bilder und Prognosen genau sind. Die Programme müssen daher mit grossen Datenmengen gefüttert und von robusten Algorithmen gesteuert werden.»

Hummel verweist seinerseits auf die ethischen Fragen, die sich im Zusammenhang mit der KI stellen: «Angenommen, diese Art der medizinischen Bildgebung sagt voraus, dass jemand mit hoher Wahrscheinlichkeit an Alzheimer erkrankt, und zwar Jahre bevor die Krankheit klinisch auftritt. Sollte diese Person darüber informiert werden? Und wenn ja, wie? Und was, wenn die Ärztin oder der Arzt sich der Vorhersage nicht zu 100 % sicher ist und wenn es zu diesem Zeitpunkt noch keine Behandlung für die Krankheit gibt?»

Die jüngsten Fortschritte in diesem Bereich sollten, wie alle Formen des technischen Fortschritts, mit einer Abwägung der damit verbundenen ethischen Fragen einhergehen – zumal die medizinische Bildgebung Einblicke in die intimsten Aspekte unseres Wesens gewährt.