Mehr als 1300 Baumarten leben in Städten: Sind sie Einfallstore für Waldschädlinge?

In Schweizer Städten gibt es mehr als 1300 Baumarten, während unsere Wälder nur 76 beherbergen, zeigt eine Studie der WSL auf. Damit finden eingeschleppte Waldschädlinge oder -krankheiten in Städten auch wesentlich mehr potenzielle Wirte – und könnten sich von dort in die Wälder ausbreiten.
Die Bäume auf dem Opernhausplatz in Zürich sind im Baumkataster eingetragen. Es sind nicht-einheimische Rot-Eichen (Quercus rubra) und Dornenlose Gleditschien (Gleditsia triacanthos f. inermis), beides nordamerikanische Arten. (Foto: Peter Longatti)

In Schweizer Städten gibt es mehr als 1300 Baumarten, während unsere Wälder nur 76 beherbergen, zeigt eine Studie der Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL auf. Damit finden eingeschleppte Waldschädlinge oder -krankheiten in Städten auch wesentlich mehr potenzielle Wirte – und könnten sich von dort in die Wälder ausbreiten.

Der Waldschutzexperte Benno Augustinus und seine Kollegen haben die Baumarten-Zusammensetzung in 26 Schweizer Städten mit jener in umliegenden Wäldern verglichen. Dazu haben sie Baumkataster aus der ganzen Schweiz durchsucht. Ein Baumkataster ist ein Verzeichnis, in dem beispielsweise Gemeinden Einzelbäume erfassen. So kamen insgesamt über 500'000 Stadtbäume zusammen.

Es zeigte sich, dass die Städte einen enorm hohen Artenreichtum aufweisen: Hier wachsen mehr als 1300 Baumarten, die meisten davon nicht einheimisch, in den umliegenden Wäldern hingegen nur 76 Arten. Diese verblüffende Vielfalt in Städten muss man etwas relativieren, denn meist dominieren zahlenmässig einige wenige Arten, wie Ahorne und Linden. In natürlichen Wäldern ist das sogar noch ausgeprägter: In den Wäldern, die in einem Umkreis von 10 km von Städten entfernt liegen, wachsen vor allem Fichten und Buchen – dann kommt lange nichts. «Damit hat sich der Vergleich von städtischen und umliegenden Waldbäumen gelohnt. Denn Städte gelten gemeinhin als arm an Vielfalt und Wälder als reich», erklärt Augustinus. In Wahrheit ist es umgekehrt.

Einfallstore für invasive Arten

Das macht die Städte interessant für Schädlinge. Die Wissenschafter haben berechnet, wo potenziell gefährliche Waldschädlinge (sogenannte Quarantäneschädlinge) die meisten passenden Wirte finden. Beispiele sind der Birkenprachtkäfer (Agrilus anxius) auf Birken oder der asiatische Moschusbockkäfer (Aromia bungii) auf Obstbäumen. Das Ergebnis: Wegen der grossen Baumvielfalt in den Städten haben eingeschleppte Schädlinge prozentual mehr Wirte in der Stadt als im Wald. Das ist insofern relevant, weil die meisten invasiven Arten durch Handel eingeschleppt werden, und der findet in städtischen Gebieten statt, nicht in der Mitte des Waldes. Durch den internationalen Waren- und Personenverkehr werden immer mehr Wald- oder Landwirtschaftsschädlinge quer durch die Welt transportiert.

In der Praxis bedeutet das, dass Stadtbäume Einfallstore für invasive Waldschädlinge darstellen können. Will man den Wald vor ihnen schützen, macht es also Sinn, in der Stadt nach ankommenden Schädlingen Ausschau zu halten. «Dabei hilft es sehr, wenn auch die Bevölkerung die Augen nach kranken Bäumen offenhält», sagt Augustinus. Zusätzlich könnte man auch die städtischen Bäume besser schützen, indem man auf die Expertise der Forstbetriebe setzt. «Man kann unsere Studie auch als Aufruf zu mehr Zusammenarbeit zwischen Förstern und Managern von städtischem Grün sehen», sagt Augustinus.

Publikation

Augustinus B.A., Abegg M., Queloz V., Brockerhoff E.G. (2024) Higher tree species richness and diversity in urban areas than in forests: implications for host availability for invasive tree pests and pathogens. Landsc. Urban Plan. 250, 105144 (10 pp.). https://doi.org/10.1016/j.landurbplan.2024.105144
Institutional Repository DORA