Mehr Trockenheit und mehr Starkregen – wie passt das zusammen?
Ein paar Zehntel Grad wärmer – und das Leben, wie wir es kennen, wird immer stärker durch Klimaextreme gefährdet. Hitzewellen, Dürren, starke Regenfälle und in der Folge Überschwemmungen belasten zusehends die Weltwirtschaft.
Als Forscherin mit Fokus auf Klimaextreme werde ich immer wieder gefragt, warum der vom Menschen verursachte Klimawandel unsere Umwelt gleichzeitig trockener und dann wieder feuchter macht.
Auf den ersten Blick scheint es paradox, dass die globale Erwärmung sowohl schwere Dürren als auch intensive Regenfälle auslösen kann. Doch diese Extreme sind eng miteinander verbunden und gehen tatsächlich auf denselben physikalischen Mechanismus zurück, den man recht anschaulich erklären kann.
Wenn es regnet, dann schüttet es richtig
Das Grundprinzip ist uns vom Wäschetrockener bekannt: Warme Luft kann mehr Feuchtigkeit aufnehmen. So begünstigen höhere Temperaturen die Verdunstung und trocknen Böden und Vegetation aus. Das physikalische Gesetz von Clausius-Clapeyron beschreibt dieses Phänomen schon seit fast 200 Jahren: Eine wärmere Atmosphäre kann mit jedem Grad Celsius etwa sieben Prozent mehr Wasser enthalten.
Die grössere Kapazität bedeutet, dass es länger dauert, bis der Sättigungspunkt erreicht ist und es zu regnen beginnt. Ist dies der Fall, ist die gesamte Menge, die als Regen fällt, viel höher. So führt die Erwärmung in einigen Fällen zu längeren Trockenperioden, in anderen zu häufigeren und intensiveren Regenfällen, die oft mit Überschwemmungen einhergehen. Viele Länder in den mittleren Breiten wie die Schweiz und die USA erfahren beide Extreme: Sie verzeichnen sowohl mehr Dürren als auch mehr Starkniederschläge.
Eine kostspielige Geissel
Der Klimawandel fordert Menschenleben und zerstört Lebensgrundlagen, manche Schäden sind irreparabel. Das verursacht enorme Kosten.
Kein Land und kein Mensch ist gegen die Klimakrise gefeit. Laut Studien spielte der Klimawandel auch eine wichtige Rolle bei den jüngsten Waldbrände in Los Angeles, Kalifornien, indem er ideale Bedingungen für das Feuer schuf.1 Die Schäden gehen in Milliardenhöhe.2
Die feuchten Bedingungen während der letzten Jahre ermöglichten ein aussergewöhnliches Wachstum der Vegetation. Auf diese kalifornische «Superblüte» folgten schwere Dürreperioden, die die Vegetation austrockneten und die Region anfällig für Waldbrände machten. Dass der Wasserkreislauf immer wechselhafter wird, wurde bereits vor den diesjährigen Bränden wissenschaftlich beschrieben, unter anderem von Kolleg:innen der ETH Zürich und der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL).3
Verwundbar über Lieferketten
Im spanischen Valencia starben im vergangenen Herbst nach intensiven Starkregen mehr als 230 Menschen durch Sturzfluten im urbanen Raum. Die Überschwemmungen richteten verheerende Schäden an, die Kosten für die beschädigte Infrastruktur werden auf über 10,5 Milliarden Euro geschätzt.
Das Hochwasser von Valencia hat auch Schweizer Firmen in Miitleidenschaft gezogen. Die Zugbauerin Stadler Rail etwa erlitt massive Störungen ihrer Produktion vor Ort, weil ihre Werkstätten sowie rund 30 Zulieferer und Aussenlager durch die Unwetter beschädigt wurden.
Klimaextreme treten zwar meist lokal auf, doch ihre Folgen bereiten sich entlang von Lieferketten aus und können selbst weit entfernte Regionen treffen. Wenn es uns nicht gelingt, die CO2-Emissionen drastisch zu reduzieren, werden die Auswirkungen immer extremer.
Falsches Gefühl der Sicherheit
Derzeit beträgt die Erderwärmung etwa 1,3 Grad Celsius seit Beginn des 19. Jahrhunderts. Um sie deutlich unter 2 Grad zu halten oder gar bei 1,5 Grad zu stabilisieren, haben sich mehr als 200 Länder und Regionen zum Pariser Klimaabkommen verpflichtet – darunter auch die Vereinigten Staaten, die nun erneut auf Geheiss des Präsidenten wieder ausgetreten sind.
Der Klimawandel betrifft nicht alle Regionen gleich stark, doch die Konsequenzen werden alle Menschen erfahren, ob arm oder reich, unabhängig davon, in welchem Land wir leben oder welcher Partei wir angehören. Das Problem wird nicht verschwinden, nur weil wir es ignorieren.
Diskussion über Klimaextreme
Sonia Seneviratne spricht am 14. Februar 2025 in einer Session auf der AAAS in Boston über Klimaextreme, Dürren und die Folgen des menschgemachten Klimawandels.
ETH Meets You at the AAAS 2025 in Boston
Swissnex Boston & New York fireside chat (Videoaufzeichnung nach der Veranstaltung verfügbar)
Daher sehe ich uns alle in der Pflicht, die sich verschärfende Klimakrise zu begrenzen. Ein Verbot von Benzinautos und Ölheizungen und der Ersatz fossiler Brennstoffe durch erneuerbare Energien können die Erwärmung merklich verlangsamen. Die Lösungen sind da, aber wir müssen sie fördern und beschleunigen.
Stattdessen subventionieren die Länder noch immer jedes Jahr fossile Brennstoffe in Höhe von rund 7000 Milliarden Dollar.4 Als besorgte Bürger:innen können wir unsere Stimme erheben und von Politiker:innen verlangen, alles zu tun, um die CO2-Emissionen drastisch zu reduzieren.
Wir sitzen alle im selben Boot. Wir sollten es gemeinsam steuern.