KI-Tool kartiert den Zellstoffwechsel mit Präzision

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der EPFL haben ein KI-Tool entwickelt, das detaillierte Modelle des zellulären Stoffwechsels erstellt und so das Verständnis für die Funktionsweise von Zellen erleichtert.
© EPFL/iStock photos (janiecbros)

Zu verstehen, wie Zellen Nährstoffe verarbeiten und Energie produzieren – zusammenfassend als Stoffwechsel bezeichnet – ist in der Biologie von entscheidender Bedeutung. Die Analyse der riesigen Datenmengen über zelluläre Prozesse zur Bestimmung von Stoffwechselzuständen ist jedoch eine komplexe Aufgabe.

Die moderne Biologie erzeugt grosse Datensätze über verschiedene zelluläre Aktivitäten. Diese «Omics»-Datensätze bieten Einblicke in verschiedene zelluläre Funktionen, wie z. B. Genaktivität und Proteinspiegel. Die Integration und Auswertung dieser Datensätze zum Verständnis des Zellstoffwechsels ist jedoch eine Herausforderung.

Kinetische Modelle bieten eine Möglichkeit, diese Komplexität zu entschlüsseln, indem sie mathematische Darstellungen des Zellstoffwechsels liefern. Sie dienen als detaillierte Karten, die beschreiben, wie Moleküle innerhalb einer Zelle interagieren und sich umwandeln, und die darstellen, wie Substanzen im Laufe der Zeit in Energie und andere Produkte umgewandelt werden. Dies hilft den Forschenden, die biochemischen Prozesse zu verstehen, die dem Zellstoffwechsel zugrunde liegen. Trotz ihres Potenzials ist die Entwicklung kinetischer Modelle eine Herausforderung, da es schwierig ist, die Parameter zu bestimmen, die zelluläre Prozesse steuern.

«Mit RENAISSANCE können wir unbekannte intrazelluläre Stoffwechselzustände, einschliesslich Stoffwechselflüssen und Metabolitkonzentrationen, genau quantifizieren.»      Ljubisa Miskovic, Co-Leiterin des Forschungsteams EPFL

Ein Forschungsteam unter der Leitung von Ljubisa Miskovic und Vassily Hatzimanikatis an der EPFL hat nun RENAISSANCE entwickelt, ein KI-basiertes Tool, das die Erstellung von kinetischen Modellen vereinfacht. RENAISSANCE kombiniert verschiedene Arten von zellulären Daten, um Stoffwechselzustände genau abzubilden und so die Funktionsweise von Zellen besser zu verstehen. RENAISSANCE stellt einen bedeutenden Fortschritt in der Computerbiologie dar und eröffnet neue Wege für Forschung und Innovation in den Bereichen Gesundheit und Biotechnologie.

Die Forscherinnen verwendeten RENAISSANCE, um kinetische Modelle zu erstellen, die das Stoffwechselverhalten von Escherichia coli genau wiedergeben. Das Tool erstellte erfolgreich Modelle, die dem experimentell beobachteten Stoffwechselverhalten entsprachen und simulierten, wie die Bakterien ihren Stoffwechsel im Laufe der Zeit in einem Bioreaktor anpassen würden.

Die Kinetikmodelle erwiesen sich auch als robust und blieben selbst bei genetischen und umweltbedingten Störungen stabil. Dies zeigt, dass die Modelle die zelluläre Reaktion auf verschiedene Szenarien zuverlässig vorhersagen können, was ihren praktischen Nutzen in der Forschung und bei industriellen Anwendungen erhöht.

«Trotz des Fortschritts bei den ‹Omics›󠅒-Techniken bleibt die unzureichende Datenabdeckung eine ständige Herausforderung», sagt Miskovic, «Metabolomics und Proteomics können beispielsweise nur eine begrenzte Anzahl von Metaboliten und Proteinen erkennen und quantifizieren. Modellierungstechniken, die Omics-Daten aus verschiedenen Quellen integrieren und miteinander in Einklang bringen, können diese Einschränkung ausgleichen und das Systemverständnis verbessern. Durch die Kombination von Omics-Daten und anderen relevanten Informationen, wie z. B. dem Gehalt an extrazellulärem Medium, physikalisch-chemischen Daten und Expertenwissen, ermöglicht uns RENAISSANCE die genaue Quantifizierung unbekannter intrazellulärer Stoffwechselzustände, einschliesslich Stoffwechselflüssen und Metabolitenkonzentrationen.»

Die Fähigkeit von RENAISSANCE, den zellulären Stoffwechsel genau zu modellieren, ist von grosser Bedeutung, da es ein leistungsfähiges Instrument für die Untersuchung von Stoffwechselveränderungen darstellt, unabhängig davon, ob diese durch eine Krankheit ausgelöst werden oder nicht, und die Entwicklung neuer Behandlungen und Biotechnologien unterstützt. Seine Benutzerfreundlichkeit und Effizienz wird es einem breiteren Spektrum von Forschenden in Wissenschaft und Industrie ermöglichen, kinetische Modelle effektiv zu nutzen und die Zusammenarbeit zu fördern.