Medikamente – Speed-Dating der besten Moleküle
Der Prozess der Arzneimittelentdeckung gleicht oft der Suche nach einer Nadel im Heuhaufen. Im Durchschnitt werden etwa 500 000 Moleküle geprüft, bevor ein Medikament auf den Markt kommt – und dieser Prozess dauert von Anfang bis Ende etwa 20 Jahre. In der Anfangsphase wählen die Unternehmen Arzneimittelkandidaten für die Zielkrankheit aus und unterziehen jedes Molekül einem vierstufigen Prüfverfahren, das mehrere Stunden in Anspruch nimmt. Der vom EPFL-Spin-off ArcoScreen entwickelte Test liefert dasselbe Ergebnis in nur 15 Minuten. Darüber hinaus kann der Test direkt an Patientenzellen durchgeführt werden, was zu zuverlässigeren Ergebnissen führt als der herkömmliche Ansatz, bei dem weniger realistische genetisch veränderte Zellen verwendet werden, wodurch die Fehlerquote in den späteren Phasen des Prozesses verringert wird. Die Plattform des Unternehmens könnte zu erheblichen Zeit- und Kosteneinsparungen führen. Diese vielversprechende Technologie hat es dem Unternehmen ermöglicht, Fördergelder zu erhalten und eine Reihe von Auszeichnungen zu gewinnen: So wurde Margaux Duchamp, die Geschäftsführerin des Unternehmens, kürzlich in die Forbes-Liste 30 Under 30 Europe Science & Healthcare aufgenommen.
Erprobung weiterer G-Protein-gekoppelter Rezeptoren
Den meisten Menschen ist nicht bewusst, dass die Medikamente, die wir zur Behandlung verschiedener Krankheiten einnehmen, oft kaum mehr sind als Botenstoffe, die an Zellrezeptoren binden und dadurch die Freisetzung anderer Stoffe im Körper auslösen. G-Protein-gekoppelte Rezeptoren, kurz GPCRs, spielen bei diesem Prozess eine wichtige Rolle: «Eine Studie der University of California hat ergeben, dass fast 35 % der Medikamente – vor allem für häufige Krankheiten wie Krebs, Diabetes, Alzheimer und Parkinson – auf diese Rezeptoren abzielen», sagt Margaux Duchamp. Die von ihrem Unternehmen, einem Spin-off des Microsystems Laboratory 4 (LMIS4) der EPFL, entwickelte Plattform bietet eine schnelle, standardisierte und systematische Möglichkeit, die Reaktion dieser Rezeptoren auf verschiedene Arzneimittelkandidaten zu testen. Die Verwendung von primären Patientenzellen macht diese Tests realistischer und ermöglicht es den Pharmaunternehmen, Moleküle zu identifizieren, die in der Phase der klinischen Prüfung scheitern werden, und den Entdeckungsprozess erheblich zu verkürzen.
Kompatibel mit Pipettierrobotern
Die Gründerinnen von ArcoScreen wollten ursprünglich einen eigenständigen Test in einer Box entwickeln. Doch wie so oft bei Start-ups änderten sie den Kurs, nachdem sie mit potenziellen künftigen Kundinnen gesprochen hatten – in ihrem Fall vor allem mit Pharmaunternehmen. Jetzt fügt sich ihre Plattform nahtlos in den herkömmlichen Testprozess ein, da sie so konstruiert ist, dass sie mit Pipettierrobotern und anderen Standardlaborgeräten kompatibel ist. Sie hat die Form eines Assays, das unter Screening-Platten mit Dutzenden von winzigen Reagenzgläsern platziert wird. Dieses Design bedeutet für die Labortechnikerinnen und -techniker keine Änderung der Standardarbeitspraktiken.
Potenziell aktive Moleküle werden in den Assay injiziert. Das mikrofluidische Auslesesystem erkennt dann, ob das Protein aktiviert ist oder nicht, und setzt den gewünschten Botenstoff frei. Die Ergebnisse werden automatisch ausgewertet, um die Wirkung des Wirkstoffkandidaten auf primäre Patientenzellen zu bestimmen.
Eine Kombination aus dem Fachwissen der Gründerinnen
ArcoScreen vereint das Fachwissen seiner beiden Gründerinnen. Thamani Dahoun, die in Biologie promovierte und sich auf GPCRs spezialisiert hat, entwickelte das Konzept für den Test und nutzte dabei ihren Hintergrund in Biochemie. Margaux Duchamp, promovierte Bioingenieurin, nutzte ihr Fachwissen im Bereich der Mikrotechnik, um den Mikrofluidik-Chip zu entwerfen: «Ich hätte nie davon geträumt, mein eigenes Unternehmen zu gründen», sagt Margaux Duchamp, deren Leidenschaft für die Wissenschaft sie zur Entwicklung dieses innovativen Systems motivierte.
Das Potenzial von ArcoScreen ist in der Start-up-Szene nicht unbemerkt geblieben: Das Unternehmen hat bereits eine Finanzierung erhalten und mehrere Preise gewonnen. Seit seiner Gründung im Juli 2021 hat es bereits einen Innogrant der EPFL erhalten, wurde zum Gewinner des IMD Startup-Wettbewerbs ernannt, hat sich Mittel aus der dritten Phase von Venture Kick gesichert und wurde für das Innosuisse Startup-Coaching-Programm ausgewählt. Mit diesen Finanzspritzen und der Unterstützung von Fachleuten plant das vierköpfige Team, seine Technologie zu verfeinern und die Fertigstellung seines Prozesses voranzutreiben. ArcoScreen hofft, bis Ende dieses Jahres eine weitere Million Schweizer Franken zu erhalten, um sein Produkt in grösserem Umfang herstellen und die Plattform rasch auf den Markt bringen zu können.