«co-operate»: Modell für klimagerechtes Bauen
Was den schonenden Umgang mit Ressourcen und die Reduzierung des CO2-Ausstosses betrifft, soll der Campus, der auf dem Empa-Areal in Dübendorf Gestalt annimmt, durchaus ein Musterschüler werden – vom Scheitel bis zur Sohle, von den Dächern bis in 100 Meter Tiefe, wo die Erdsonden eines einzigartigen experimentellen saisonalen Energiespeichers enden. Im Sommer wird in diesen «Röhren» die Abwärme etwa von den Kältemaschinen, Lüftungen und Laborgeräten gespeichert, um sie dann im Winter zum Heizen oder für die Produktion von Warmwasser zu nutzen. Das Ziel: den CO2-Ausstoss der Gebäude auf dem gesamten Campus auf ein Minimum senken und zugleich diese innovative Technologie für eine nachhaltige Energiezukunft erkunden.
Den Ausstoss von Treibhausgasen minimieren: Dieser Anspruch prägt auch die Konstruktionen des neuen Campus. Das dreistöckige Gebäude rechter Hand der Einfahrt ist ein einzigartiges «Holz-Beton-Parkhaus», dessen Decken eine anspruchsvolle Konstruktion aus Fichtenträgern und -platten mit Betonüberzug sind.
Durch diese Hybridbauweise liess sich die Dicke der Betonschichten laut dem Bauunternehmen Implenia auf rund ein Drittel reduzieren. Eine deutliche Einsparung also beim «Klimasünder» Zement: Rund 9'300 Quadratmeter Betonrippendecken wurden mit Holzbalkendecken ersetzt – auch ein Beitrag zum aktuellen Trend, Beton, wo möglich und sinnvoll, zum grossen Teil mit Konstruktionen aus Holz zu ersetzen.
Anspruchsvoll bei diesem Vorhaben war laut Kevin Olas, Leiter «Immobilien» der Empa, unter anderem die geschickt unauffällig integrierte Installation von Beleuchtung, Elektrotrassen und Abwasserleitungen, um die Ästhetik dieser raffinierten Hybridkonstruktionsweise nicht zu beeinträchtigen.
Zudem musste die Planung auch künftige Aspekte berücksichtigen: Das Parkhaus wurde mit Blick auf den Klimawandel in Modulbauweise aus demontierbaren Fertigteilen geplant – mit Blick in eine fernere Zukunft, in der die individuelle Mobilität womöglich eine geringe Rolle spielt als heute. Dann liessen sich Teile des Bauwerks auch zu Werkstätten oder für andere Zwecke umwidmen.
Urin als Rohstoff für Dünger
In dieser Zukunft wird auch umweltfreundliche Kreislaufwirtschaft das Bauen bestimmen: Nicht nur Stahl, Beton oder Holzelemente lassen sich klimaschonend wiederverwerten, sondern auch menschliche «Rohstoffe». Beispiel Urin: Im grossen Laborgebäude im Zentrum von «co-operate» sind «NoMix»-WCs installiert, die Fachleute des Wasserforschungsinstituts Eawag in den vergangenen Jahren entwickelt haben. Ohne die gewohnte Benutzung zu verändern, trennen sie den menschlichen Urin vom so genannten Schwarzwasser aus Fäkalien, Spülwasser und Toilettenpapier.
Weil der Urin wertvolle Nährstoffe wie Stickstoff, Phosphor und Kalium enthält, lässt er sich nutzen, um Dünger für die Landwirtschaft herzustellen. In einem eigens entwickelten Verfahren der Eawag wird das Rohmaterial im Kellergeschoss des NEST-Gebäudes zunächst mit einem biologischen Prozess stabilisiert und verliert so den strengen Geruch.
Ein Aktivkohle-Filter entfernt sämtliche Medikamentenrückstände, bevor die Flüssigkeit schliesslich eingedampft wird – zu einem hochwertigen Dünger namens «Aurin», den der Eawag-Spin-Off Vuna GmbH vermarktet. Aus 1000 Litern Urin entstehen 100 Liter von diesem Dünger, der seit 2018 vom Bundesamt für Landwirtschaft auch für den Einsatz bei essbaren Pflanzen zugelassen ist.
Viele Mosaiksteine für eine gute Klimabilanz
Neben dem unauffälligen Urin-Sammelsystem dokumentieren viele offensichtliche Details den Anspruch des Campus als Wegweiser für umweltfreundliches Bauen. Photovoltaik-Installationen werden die Eigenstrom-Produktionen massiv erhöhen. Und auf mehr als 14'000 Quadratmetern Fläche bewegen sich die Menschen auf Recycling-Asphalt mit einem hohen Anteil von 80 Prozent wiederverwertetem Material in der Tragschicht und 20 Prozent in der dünnen Deckschicht.
Zugleich haben die Landschaftsarchitekten freilich auf Asphalt verzichtet, um naturnah zu gestalten: Bislang versiegelte Flächen werden «befreit», wie die Ludwig-Tetmajer-Strasse auf dem Empa-Areal. «Aus dieser ‹Parkplatz-Asphalt-Wüste› wird eine begrünte und schattige Zone», erklärt Kevin Olas. Und auch hinter den grossen Neubauten wird die Biodiversität mit vielfältigen Pflanzen und Bäumen gefördert – dank ausgewählter hitzeresistenter Arten, die sich auch bei künftigen Klimabedingungen wohlfühlen werden.