Geheimnisse von Phasenübergängen in Quantenhardware

Die EPFL-Forschenden haben ein bemerkenswertes Ergebnis erzielt: die Erfassung und Untersuchung von Phasenveränderungen in Quanten-Hardware, die vielversprechend für Technologien der nächsten Generation wie Quantencomputer und hochempfindliche Sensoren sind.
Nichtlineare supraleitende Resonatorschaltung zur Untersuchung dissipativer Phasenübergänge. Bildrechte: Guillaume Beaulieu (EPFL)

Phasenübergänge, wie das Gefrieren von Wasser zu Eis, sind ein vertrauter Teil unserer Welt. In Quantensystemen können sie sich jedoch noch dramatischer verhalten, wobei Quanteneigenschaften wie die Heisenbergsche Unschärfe eine zentrale Rolle spielen. Darüber hinaus können verschiedene unerwünschte Effekte dazu führen, dass die Systeme Energie an die Umgebung verlieren oder dissipieren. Diese «dissipativen Phasenübergänge» (DPTs) versetzen Quantensysteme in neue Zustände.

Es gibt verschiedene Arten oder «Ordnungen» von DPTs. DPTs erster Ordnung sind wie das Umlegen eines Schalters und verursachen abrupte Sprünge zwischen Zuständen. DPTs zweiter Ordnung sind sanfter, aber immer noch transformativ und verändern eine der globalen Eigenschaften des Systems, die so genannte Symmetrie, auf subtile, aber tiefgreifende Weise.

DPTs sind der Schlüssel zum Verständnis des Verhaltens von Quantensystemen unter Nicht-Gleichgewichtsbedingungen, wo thermodynamische Argumente oft keine Antworten liefern. Abgesehen von der reinen Neugier hat dies auch praktische Auswirkungen auf den Bau robusterer Quantencomputer und Sensoren. DPTs zweiter Ordnung könnten beispielsweise die Quanteninformationsspeicherung verbessern, während DPTs erster Ordnung wichtige Mechanismen der Systemstabilität und -steuerung aufzeigen.

Theoretisch wurden für DPTs bestimmte Eigenschaften vorhergesagt, wie etwa Verlangsamung und Bistabilität, die mit bestimmten Potenzgesetz-Skalen auftreten. Bislang war es eine große wissenschaftliche Hürde, sie zu beobachten – vor allem die zweiter Ordnung.

Doch nun hat ein Forscherteam genau das getan. Unter der Leitung von Professor Pasquale Scarlino an der EPFL entwickelten sie einen supraleitenden Kerr-Resonator, ein Bauelement mit kontrollierbaren Quanteneigenschaften, und richteten ihn so ein, dass er einen Zwei-Photonen-Antrieb erfährt, der Paare von Photonen in das System schickt, um seinen Quantenzustand sorgfältig zu kontrollieren und zu untersuchen, wie er zwischen verschiedenen Phasen übergeht.

Durch systematische Variation von Parametern wie Verstimmung und Antriebsamplitude konnten sie die Übergänge des Systems von einem Quantenzustand in einen anderen untersuchen. Mit diesem Ansatz konnten sie sowohl ein DPT erster als auch zweiter Ordnung beobachten.

«Ein sehr interessanter Aspekt dieser Arbeit ist, dass sie auch zeigt, wie eine enge Zusammenarbeit zwischen Theorie und Experiment zu Ergebnissen führen kann, die weit über das hinausgehen, was beide Gruppen unabhängig voneinander hätten erreichen können.»      Guillaume Beaulieu, Erstautor der Studie

Um die Genauigkeit zu gewährleisten, wurden die Experimente bei Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt durchgeführt, wodurch das Hintergrundrauschen auf nahezu Null reduziert wurde. Der Kerr-Resonator war von zentraler Bedeutung, da er Quanteneffekte verstärken kann, die oft zu subtil sind, um sie zu beobachten. Da er mit extremer Empfindlichkeit auf Zwei-Photonen-Signale reagieren kann, konnten die Forscher damit Phasenübergänge mit bisher unerreichter Präzision untersuchen – etwas, das mit herkömmlichen Versuchsanordnungen einfach nicht möglich ist.

Der Aufbau ermöglichte es dem Team, das Verhalten der vom Resonator emittierten Photonen mit hochempfindlichen Detektoren zu überwachen. Durch den Einsatz fortschrittlicher mathematischer Techniken, wie die Verbindung mit den spektralen Eigenschaften des Liouvill'schen Superoperators – einem Werkzeug, das komplexe Quantenprozesse modelliert – konnten die Forschenden die Phasenübergänge des Systems genau verfolgen und analysieren.

Bei der DPT zweiter Ordnung beobachtete das Team ein Phänomen, das als «Squeezing» bezeichnet wird und bei dem die Quantenfluktuationen auf ein Niveau sinken, das unter dem natürlichen Hintergrundrauschen des leeren Raums liegt, was darauf hinweist, dass das System einen hochempfindlichen und transformativen Zustand erreicht hat. In der Zwischenzeit zeigte das DPT erster Ordnung deutliche Hysteresezyklen, bei denen das System in zwei Zuständen existieren kann, je nachdem, wie die Parameter eingestellt wurden.

Zweitens fanden sie deutliche Hinweise auf metastabile Zustände während des DPT erster Ordnung, bei denen das System vorübergehend in einem stabilen Zustand verharrte, bevor es abrupt in einen anderen überging. Dieses Verhalten, das zu einer als Hysterese bezeichneten Abhängigkeit des Systemzustands von seiner Vorgeschichte führt, zeigt, dass DPTs erster Ordnung konkurrierende Phasen beinhalten.

Schliesslich beobachteten sie bei beiden Arten von Übergängen eine «kritische Verlangsamung», die die erwartete Skalierung aus theoretischen Überlegungen reproduziert. Dies beweist letztlich die Gültigkeit der theoretischen Vorhersagen, die auf der von den Autoren verwendeten Liouvilleschen Theorie basieren. In der Nähe der kritischen Punkte verlangsamte sich die Reaktion des Systems erheblich, was eine universelle Eigenschaft von Phasenübergängen hervorhebt, die für präzisere Quantenmessungen genutzt werden könnte.

Das Verständnis von DPTs eröffnet neue Möglichkeiten für die Entwicklung von Quantensystemen, die sowohl stabil als auch reaktionsfähig sind. Dies könnte die Quanteninformationstechnologien revolutionieren, wie z. B. die Fehlerkorrektur in der Quanteninformatik oder die Entwicklung von hochempfindlichen Quantensensoren.

Ganz allgemein zeigt diese Forschung die Stärke der interdisziplinären Zusammenarbeit – die Verbindung von Experimentalphysik, fortschrittlichen theoretischen Modellen und modernster Technik, um die Grenzen der Wissenschaft zu erforschen.

«Ein sehr interessanter Aspekt dieser Arbeit ist, dass sie auch zeigt, wie eine enge Zusammenarbeit zwischen Theorie und Experiment zu Ergebnissen führen kann, die weit über das hinausgehen, was beide Gruppen unabhängig voneinander hätten erreichen können», sagt Guillaume Beaulieu, der Erstautor der Arbeit.

Weitere Informationen

Weitere Mitwirkende

  • Universität Sapienza
  • Aalto-Universität
  • Universität von Pavia

Finanzierung

  • Schweizerischer Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (SNF)
  • Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI)
  • EPFL
  • Forschungsrat von Finnland

Referenzen

Guillaume Beaulieu, Fabrizio Minganti, Simone Frasca, Vincenzo Savona, Simone Felicetti, Roberto Di Candia, Pasquale Scarlino. Observation of first- and second-order dissipative phase transitions in a two-photon driven Kerr resonator. Nature Communications 10 März 2025. DOI: 10.1038/s41467-025-56830-w