Was klimaneutrales Fliegen künftig kostet
In Kürze
- Nachhaltig hergestellte synthetische Treibstoffe verbrennen sauberer und erzeugen dadurch weniger Kondensstreifen und andere klimaerwärmende Effekte.
- Um ausreichend bezahlbaren synthetischen Kraftstoff zu niedrigen Kosten zu erzeugen, sind größere Mengen an preiswerter Sonnen- und Windenergie erforderlich, als in Europa voraussichtlich zur Verfügung stehen werden.
- Die Forschenden sehen die Produktion synthetischer Treibstoffe daher nicht in Europa, sondern in sonnenreichen Regionen mit genügend Platz.
Der Luftverkehr trägt derzeit zu etwa vier Prozent der beobachteten globalen Erwärmung bei. Da die Nachfrage nach Flügen voraussichtlich weiter steigen wird, suchen Forschende und Regierungen nach Lösungen, um das Fliegen bis spätestens 2050 klimaneutral machen. Die meisten Expert:innen sind sich einig, dass Flugtickets dadurch teurer werden. Doch um wie viel? Umstritten ist auch, mit welcher Technologie sich der Flugverkehr am besten dekarbonisieren lässt.
Eine neue Studie von Forschenden der ETH Zürich und des Paul Scherrer Instituts im Fachmagazin «Nature Communications» schätzt nun, dass Flugtickets um rund 50 Prozent der heutigen Ticketpreise teurer werden könnten, wenn synthetische Treibstoffe bis 2050 weltweit fossiles Kerosin ersetzen würden.
«Dieser mögliche Anstieg ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass die Flugpreise in den letzten 25 Jahren um mehr als 40 Prozent gesunken sind», sagt Anthony Patt, ETH-Professor für Klimapolitik und einer der Autoren der Studie. «Setzt sich dieser Trend fort, würde klimaneutrales Fliegen um 2050 in etwa gleich viel kosten wie ein Flugticket heute.»
Zwei technologische Ansätze
Die Studienautor:innen vergleichen zwei Ansätze, um die klimaschädlichen Auswirkungen des Luftverkehrs zu reduzieren. Beim ersten Ansatz fliegen Flugzeuge weiterhin mit erdölbasiertem Kerosin. Allerdings wird der Atmosphäre die gleiche Menge CO2 entzogen, wie sie von den Triebwerken ausgestoßen wird, indem es beispielsweise direkt aus der Luft gefiltert und unterirdisch gespeichert wird. Das ETH-Spin-off Climeworks hat diese Technologie bereits vor einigen Jahren auf den Markt gebracht.
Beim zweiten Ansatz ersetzen Fluggesellschaften eine zunehmende Menge Kerosin durch synthetischen Kraftstoff, ohne dass Turbinen oder Flugzeuge umgerüstet werden müssen. Dieser Kraftstoff wird aus abgetrenntem CO2 in Verbindung mit nachhaltig erzeugtem Wasserstoff hergestellt, der entweder mit Strom oder mit einem Solarreaktor aus Wasser gewonnen wird. Letztere Technologie wurde an der ETH Zürich entwickelt und vom ETH-Spin-off Synhelion zur Marktreife gebracht.
Synthetische Treibstoffe sind günstiger
Die Forschenden zeigen, dass synthetische Treibstoffe den günstigeren Weg darstellen, sofern der Flugverkehr weiter zunimmt. Der Grund: Die Klimawirkung des Fliegens beschränkt sich nicht nur auf die Emission von CO2. «Durch Kondensstreifen und andere Nicht-CO2-Effekte, die etwa durch frei werdende Russpartikel oder Stickoxide entstehen, kann der klimaerwirksame Effekt des Flugverkehrs bis zu dreimal grösser sein als die Wirkung des ausgestossenen CO2 allein», sagt Nicoletta Brazzola, Erstautorin der Studie und Postdoc an der Professur für Klimapolitik der ETH Zürich.
Im Gegensatz zur Erwärmung durch CO2-Emissionen, die über Jahrhunderte anhält, sind die nicht CO2-bedingten Auswirkungen kurzlebig und reagieren daher unmittelbar auf das Luftverkehrsaufkommen. Wenn der Luftverkehr zunimmt, können diese kurzlebigen Effekte sehr schnell zunehmen. Ein wirklich klimaneutraler Luftverkehr setzt voraus, dass diese Nicht-CO2-Effekte durch eine zusätzliche Entnahme von CO2 aus der Atmosphäre kompensiert werden.
Synthetische Treibstoffe haben hier einen entscheidenden Vorteil: Sie verbrennen sauberer als fossiles Kerosin und verursachen deutlich weniger schädliche Nicht-CO2-Effekte. Dadurch muss auch weniger zusätzliches CO2 entfernt werden als bei einem mit fossilem Kerosin betankten Flugzeug, was gemäss den Forschenden günstiger ist: Setzt man auf Kerosin und Kompensation würden Flugtickets um rund 55 bis 75 Prozent teurer werden als heute. Bei synthetischen Treibstoffen beträgt die Erhöhung lediglich 45 bis 60 Prozent.
Ein steiniger Weg
Einfach werde der Weg zum klimaneutralen Fliegen laut Studienautorin Brazzola allerdings nicht. «Um eine klimaneutrale Luftfahrt zu erreichen, müssen wir die Versorgung mit synthetischen Treibstoffen massiv ausbauen, grosse Mengen an grünem Wasserstoff produzieren und eine Infrastruktur für den Transport und die Speicherung von CO2 aufbauen», sagt die ETH-Forscherin. «Dies wird eine beispiellose Herausforderung sein.»
Die tatsächlichen Kosten für die Herstellung synthetischer Kraftstoffe hängen von den Preisen der eingesetzten Energieträger ab, wobei Solar- und Windenergie die niedrigsten Kosten verursachen. Günstig und in ausreichenden Mengen für den Weltmarkt stehen diese Energieträger vor allem außerhalb Europas zur Verfügung.
«Wir gehen von globalen Produktionsketten für die synthetischen Kraftstoffe aus und nicht von europäischen. Dieser globale Markt macht die erneuerbaren Energien, die zur Herstellung dieser Kraftstoffe benötigt werden, sehr viel billiger», sagt ETH-Professor Patt. Beispielsweise könnten grosse Solarenergie-Anlagen in sonnenreichen Regionen Nordafrikas oder auf der arabischen Halbinsel errichtet werden. Zudem gebe es auch andere Länder mit erheblichem Potenzial für erneuerbare Energien, darunter die USA, Südafrika, Chile und Australien.
CO2 und Kerosin müssen teurer werden
Die entscheidende Frage für Patt ist, ob die Menge an nachhaltigem Kerosin schnell genug steigt, denn aktuell ist der Markt noch sehr klein. Dafür sind für den ETH-Professoren die richtigen politischen Rahmenbedingungen massgeblich: So ist in der EU seit 2025 ein Gesetz in Kraft, wonach dem fossilen Kerosin zunächst zwei Prozent nachhaltiger Treibstoff beigemischt werden müssen. Bis 2050 soll der Anteil auf 70 Prozent ansteigen. In der Schweiz soll 2026 eine ähnliche Regelung in Kraft treten. «Diese Massnahmen gehen in die richtige Richtung und sollten ausgebaut werden. Zudem müsste auch der Preis von CO₂ steigen um fossiles Kerosin teurer und damit unattraktiver zu machen», sagt Patt.