Ein neuer Ansatz macht Windkraftprognosen wettbewerbsfähiger
Erklärbare künstliche Intelligenz (Explainable Artificial Intelligence, XAI) ist ein Zweig der künstlichen Intelligenz, der den Nutzenden hilft, einen Blick in die Blackbox von KI-Modellen zu werfen, um zu verstehen, wie ihre Ergebnisse erzeugt werden und ob ihren Prognosen vertraut werden kann. In jüngster Zeit hat XAI bei Computer-Vision-Aufgaben wie der Bilderkennung an Bedeutung gewonnen, wo das Verständnis von Modellentscheidungen entscheidend ist. Aufbauend auf ihrem Erfolg in diesem Bereich wird sie nun allmählich auf verschiedene Bereiche ausgeweitet, in denen Vertrauen und Transparenz besonders wichtig sind, darunter das Gesundheitswesen, das Verkehrswesen und das Finanzwesen.
Forschende des Labors für Windenergie und erneuerbare Energien (WiRE) der EPFL haben XAI auf die in ihrem Bereich verwendeten Black-Box-KI-Modelle zugeschnitten. In einer in der Fachzeitschrift Applied Energy veröffentlichten Studie fanden sie heraus, dass XAI die Interpretierbarkeit von Windkraftprognosen verbessern kann, indem sie Einblicke in die von einem Black-Box-Modell getroffenen Entscheidungen gewährt und dabei helfen kann, herauszufinden, welche Variablen bei der Eingabe eines Modells verwendet werden sollten.
«Bevor Netzbetreiber die Windenergie effektiv in ihre intelligenten Netze integrieren können, benötigen sie zuverlässige tägliche Prognosen der Windenergieerzeugung mit einer geringen Fehlermarge», sagt Prof. Fernando Porté-Agel, Leiter von WiRE. «Ungenaue Prognosen bedeuten, dass die Netzbetreiber in letzter Minute einen Ausgleich schaffen müssen und dabei oft teurere Energie aus fossilen Brennstoffen verwenden.»
Glaubwürdigere und zuverlässigere Vorhersagen
Die derzeit für die Vorhersage der Windkraftleistung verwendeten Modelle basieren auf Strömungsdynamik, Wettermodellierung und statistischen Methoden – dennoch weisen sie eine nicht zu vernachlässigende Fehlermarge auf. Die KI hat es den Ingenieurfachleuten ermöglicht, die Vorhersagen für die Windenergie zu verbessern, indem sie anhand umfangreicher Daten Muster zwischen den Variablen des Wettermodells und der Leistungsabgabe der Windturbinen erkennen. Die meisten KI-Modelle funktionieren jedoch als «Black Boxes», was es schwierig macht, zu verstehen, wie sie zu bestimmten Vorhersagen kommen. XAI geht dieses Problem an, indem es die Modellierungsprozesse, die zu den Vorhersagen führen, transparent macht, was zu glaubwürdigeren und zuverlässigeren Vorhersagen führt.
Wichtigste Variablen
Für ihre Studie trainierte das Forschungsteam ein neuronales Netz, indem es Eingangsvariablen aus einem Wettermodell mit einem signifikanten Einfluss auf die Windenergieerzeugung – wie Windrichtung, Windgeschwindigkeit, Luftdruck und Temperatur – zusammen mit Daten aus Windparks in der Schweiz und weltweit auswählte. «Wir haben vier XAI-Techniken angepasst und Metriken entwickelt, um festzustellen, ob die Interpretation der Daten durch eine Technik zuverlässig ist», sagt Wenlong Liao, Hauptautor der Studie und Postdoc bei WiRE.
Beim maschinellen Lernen verwenden die Ingenieurfachleute Metriken, um die Leistung des Modells zu bewerten. Metriken können zum Beispiel zeigen, ob die Beziehung zwischen zwei Variablen kausal oder korrelativ ist. Sie werden für bestimmte Anwendungen entwickelt – für die Diagnose eines medizinischen Zustands, die Messung der Anzahl der durch Verkehrsstaus verlorenen Stunden oder die Berechnung der Börsenbewertung eines Unternehmens: In unserer Studie haben wir verschiedene Metriken definiert, um die Vertrauenswürdigkeit von XAI-Techniken zu bewerten. Darüber hinaus können vertrauenswürdige XAI-Techniken aufzeigen, welche Variablen wir in unsere Modelle einbeziehen sollten, um zuverlässige Prognosen zu erstellen», sagt Liao. «Wir haben sogar gesehen, dass wir bestimmte Variablen in unseren Modellen weglassen können, ohne dass sie dadurch weniger genau werden.»
Mehr Wettbewerb
Laut Jiannong Fang, einem EPFL-Wissenschaftler und Mitautor der Studie, könnten diese Erkenntnisse dazu beitragen, die Windenergie wettbewerbsfähiger zu machen: «Stromnetzbetreiber werden sich nicht wohl dabei fühlen, sich auf die Windenergie zu verlassen, wenn sie die internen Mechanismen, auf denen ihre Prognosemodelle beruhen, nicht verstehen», sagt er. «Aber mit dem XAI-basierten Ansatz können die Modelle diagnostiziert und aktualisiert werden und somit zuverlässigere Prognosen der täglichen Windkraftschwankungen erstellen.»