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«Wälder sind komplexe Systeme»

Die Fernerkundungsspezialistin Petra D’Odorico lässt gern Drohnen steigen. Nicht zum Spass, sondern zur Aufnahme von hochauflösenden Multispektral- und Wärmebildern. Damit lässt sich womöglich ein Frühwarnsystem etablieren, um Trockenstress im Wald zu erkennen, bevor er offensichtlich wird.
 
Petra D’Odorico beobachtet Wälder mit Hilfe von Drohnen. (Foto: Kellenberger Photographie)

Unlängst bei einem Spaziergang, auf einer Bank am Waldrand sitzend, die Spätsommersonne und die Stille geniessend. Ein Traktor brummt von fern, im Gebüsch kaum ein Rascheln. Doch dann ein hohes Sirren, leise zunächst, dann vernehmlicher. Ein Blick nach oben bringt Gewissheit: eine Drohne. Was die wohl hier macht? Vielleicht ist sie im Dienst der Wissenschaft unterwegs. Vielleicht untersucht sie die Waldfläche von oben. Denn auch Waldexpertinnen und -experten haben längst gemerkt, dass diese fliegenden Wunderdinger sehr nützlich sein können, um sich buchstäblich einen Überblick über die Auswirkungen zum Beispiel von Trockenheit zu verschaffen. Man braucht ihnen dazu bloss die richtigen «Augen» zu verpassen.

Mit Sensoren Trockenstress erkennen

Petra D’Odoricos Drohnen schauen mit Sensoren, die viele Wellenlängen abdecken, nicht bloss das sichtbare Licht. In einem erweiterten und höher aufgelösten Spektrum wird dann etwas sichtbar, was die Försterin oder der Förster womöglich erst viel später bemerkt hätte: Trockenstress. Ist es über längere Zeit zu trocken, kommt in den Blättern ein ganz besonderer Schutzmechanismus in Gang. Dieser sorgt dafür, dass das absorbierte Licht anders «abgeleitet» wird als via Photosynthese.

Die Photosynthese läuft nur mit genügend Feuchtigkeit, schliesslich nutzt sie H2O bei der biochemischen Umsetzung. Der Schutzmechanismus sorgt für eine Pigmentumwandlung. «Ein wenig wie im Herbst», erläutert D’Odorico, das zeige sich auf den Aufnahmen. Diese Veränderung zeigt sich in der Zusammensetzung der Blattpigmente und ist ein sicheres Stresswarnsignal. Sie ist zu subtil für das menschliche Auge und ist folglich erst auf dem Computerbildschirm im Spektrum erkennbar.

Luftaufnahmen nach flexiblem Zeitplan

Ein weiterer grosser Vorteil der Aufnahmen aus der Luft: So lassen sich viele tausende von Bäumen gleichzeitig scannen. Das würde vom Boden aus nicht so einfach gehen. Früher habe sie vor allem mit Satellitenbildern gearbeitet, sagt D’Odorico. Doch dann wollte sie weiter «reinzoomen». Erst mit den Drohnen erreiche sie die nötige räumliche Auflösung, um Vorgänge im Wald auf der Ebene der einzelnen Bäume studieren zu können, da nicht alle Bäume und nicht alle Baumarten gleichermassen auf Stress reagieren. Auch die zeitliche Auflösung könne ganz nach Belieben gewählt werden, während Satelliten nach fixem Zeitplan kreisen. Das erlaubt ein solches «Reinzoomen» zum Beispiel während einer Hitzewelle.

«Man sollte nie allein unterwegs sein, wenn man so eine Drohne fliegt.»      Petra D’Odorico

Eine Drohne ist kein Spielzeug

D’Odorico zeigt uns ihre «Werkzeuge» gern, in einem Kellerraum der WSL in Birmensdorf. Doch diese Exemplare sind um einiges grösser als die Drohnen, die einem schon einmal im Alltag begegnet sind. Es handelt sich um teure Profiversionen. Entsprechend ist der Umgang mit den Fluggeräten auch nicht ganz ungefährlich: «Man sollte nie allein unterwegs sein, wenn man so eine Drohne fliegt», sagt D’Odorico.

Zwar erleichtert eine spezielle Software die Flugplanung über ein vordefiniertes Gebiet und die Scanmanöver laufen mehrheitlich automatisiert ab, doch beim Start, bei der Landung und für spezielle Aufnahmen wird manuell gesteuert. Ein gewisser Respekt bleibt: «Wir bewegen ziemlich teure Sensoren gegen 100 Meter hoch in die Luft.» Da sollte man schon wissen, was man tut. Sie selbst habe ein Flugtraining von einem ehemaligen Piloten der US-Army in Kanada bekommen.

Menschliche Beobachtung bleibt wichtig

In der Landwirtschaft nutze man Drohnenaufnahmen und digitale Bildanalyseverfahren schon länger routinemässig, um die Ertragsfähigkeit und Stressresistenz von Kulturpflanzen zu bewerten, erklärt D’Odorico. «Wälder sind allerdings komplexere Systeme». Insofern besteht D’Odoricos Arbeit noch zu einem guten Teil aus Grundlagenforschung. Es geht vor allem darum zu verstehen, was man auf den Aufnahmen alles sehen kann. Spektren beinhalten viele Informationen, die oft schwierig zu entzerren sind: von biochemischen und morphologischen Merkmalen bis hin zu Verhaltenseigenschaften der Bäume.

Und deshalb ist es ihr auch wichtig zu betonen, dass es die menschliche Beobachtung und Kenntnis des Walds immer noch braucht. «Noch sind wir nicht so weit, dass wir nur mit Drohnen allein arbeiten könnten.» Waldökosysteme seien schlicht zu komplex. Im Moment bestehe die Hauptarbeit darin, die Datenfülle zu sortieren und vor allem zu validieren, im Austausch mit den Expertinnen und Experten vor Ort: «Das Wissen der Förster fällt nicht einfach weg.»

Drohnendaten als Schlüssel zu klimaresistenten Wäldern

Die Drohnendaten machen es aber möglich, den Blick zu weiten. So lasse sich zum Beispiel mit den Aufnahmen gut studieren, welche Baumarten besser mit einem wärmeren und trockeneren Klima zurechtkommen, und was bei der Wahl eines Baumartenportfolios für den Schweizer Wald der Zukunft hilft. Wie wertvoll solches Waldwissen ist, versteht sich von selbst, insbesondere angesichts des sich immer rascher ändernden Klimas.