Neuer Ansatz zur Behandlung kollabierter Atemwege bei Neugeborenen

In Zusammenarbeit mit dem CHUV schlagen EPFL-Ingenieurfachleute vor, eine kollabierte Luftröhre mit einem selbstklebenden Hydrogel-Pflaster zu umwickeln, um eine Tracheomalazie zu behandeln.
© 2023 Murelle Gerber / EPFL

Forschende der EPFL haben einen Durchbruch bei der Behandlung von Tracheomalazie erzielt. Tracheomalazie ist eine Erkrankung, die durch eine Schwäche des Trachealknorpels und der Muskeln gekennzeichnet ist, die normalerweise die Atemwege offen halten, um eine korrekte Atmung zu ermöglichen. Das Team, das sich aus EPFL-Ingenieurfachleuten und CHUV-Pädiatriechirurginnen und -chirurgen zusammensetzt, hat erfolgreich ein neuartiges Hydrogel-Klebepflaster entwickelt, das die Tracheomalazie wirksam lindern kann und Hoffnung auf bessere Behandlungsmöglichkeiten für diese schwierige Erkrankung gibt. Der Nachweis des Konzepts wurde kürzlich in iScience veröffentlicht.

Tracheomalazie ist eine relativ häufige angeborene Erkrankung, die bei Neugeborenen und Säuglingen häufig zu einem übermässigen Kollaps der Atemwege führt. Derzeitige Behandlungsmethoden wie die Rekonstruktion der Luftröhre, die Tracheoplastik und die Stent-Implantation führen häufig zu umfangreichen, lang anhaltenden Schäden an diesem lebenswichtigen Organ. Um diese Einschränkungen zu überwinden, haben Forschende und Chirurgiefachleute eine neue Strategie entwickelt: Sie wickeln ein nicht-invasives Hydrogelpflaster um die beschädigte Luftröhre, um den Atemweg zu öffnen.

Hydrogel ist ein biokompatibles und biologisch abbaubares weiches Material, das zunehmend in biomedizinischen Anwendungen eingesetzt wird, aber dies ist das erste Mal, dass Bioingenieurfachleute seine strukturellen Eigenschaften zur Linderung von Tracheomalazie erforscht haben. Anhand von numerischen und Tiermodellen haben die Ingenieure Ece Uslu und Dr. Vijay Kumar Rana vom Labor für biomechanische Orthopädie (LBO) gezeigt, dass ein Hydrogelpflaster mit geeigneten mechanischen Eigenschaften und Haftfestigkeit die physiologische Form der Luftröhre wirksam erhalten kann. Um dies zu erreichen, werden neue Hydrogele synthetisiert, die den schwierigen Anforderungen eines kollabierten Atemwegs gerecht werden. Die Forscher arbeiteten mit dem Labor für Hämodynamik und kardiovaskuläre Technologie (LHTC) zusammen, wo Sokratis Anagnostopoulos entscheidende numerische Studien durchführte.

Hydrogelpflaster unterstützt kollabierte Atemwege um 50%

«Diese Forschungsarbeit stellt einen bedeutenden Fortschritt bei der Bewältigung der Herausforderungen dar, die mit der Behandlung der Tracheomalazie verbunden sind», sagt Professor Dominique P. Pioletti, Leiter des LBO und federführender Forscher des Projekts. «Das Hydrogel-Klebepflaster, das wir in Zusammenarbeit mit dem CHUV entwickelt haben, ist sehr vielversprechend, da es die Luftröhre mechanisch stützt und einen Kollaps der Atemwege verhindert.»

In diesem erfolgreichen Konzeptnachweis zeigte das neue Hydrogel-Klebepflaster eine robuste Haftung auf der feuchten Oberfläche der Luftröhre und unterstützte strukturell eine vollständig kollabierte Luftröhre unter Unterdruck, wodurch sich das Volumen um bis zu 50 % erhöhte. Diese vielversprechenden Ergebnisse ebnen den Weg für den potenziellen Einsatz von adhäsiven Hydrogelen als neuen Ansatz in der klinischen Behandlung der Tracheomalazie. «Wir sind optimistisch, was diesen Konzeptnachweis angeht, da die 50-prozentige Vergrösserung der Öffnung einer vollständig kollabierten Trachea ausreicht, um die schweren Symptome der Tracheomalazie zu lindern», sagt der Mitautor der Studie und CHUV-Kinderchirurg Dr. Kishore Sandu.

Zusammenarbeit zwischen EPFL-Ingenieurfachleuten und CHUV-Kinderchirurginnen

«Es war wirklich aufregend, verschiedene Visionen zusammenzubringen und zu einer lang ersehnten Lösung für ein schwieriges medizinisches Problem zu gelangen», sagt Dr. François Gorostidi, Mitautor der Studie und CHUV-Chirurg für pädiatrische Atemwege. Die fruchtbare Zusammenarbeit zwischen Chirurginnen und Chirurgen sowie Ingenieurfachleuten bei diesem Projekt hing davon ab, dass beide Seiten im Operationssaal und im Labor genau auf die spezifischen Anforderungen des jeweils anderen hörten: «Ingenieurfachleute sowie Chirurginnen und Chirurgen sprechen nicht immer dieselbe Sprache, deshalb mussten wir erst verstehen, wie wir zusammenarbeiten können. Aber die Entwicklung einer technischen Lösung für ein medizinisches Problem mit begrenzten Behandlungsmöglichkeiten hat sich als sehr vielversprechend erwiesen», sagt Dr. Sandu.

Die Zusammenarbeit ist noch nicht abgeschlossen, und die Forschenden betonen, dass der Prozess extrem iterativ ist. Es hat drei Jahre gedauert und Hunderte von Formulierungen des Hydrogels erfordert, um diese beeindruckenden Ergebnisse zu erzielen. Und weder die Ingenieurfachleute noch die Chirurginnen und Chirurgen werden sich ausruhen, bis ihre Lösung für die Tracheomalazie den Operationssaal erreicht und ein oft unlösbares Problem für Kinderärztinnen löst, die die Atemwege von Neugeborenen öffnen müssen, dabei aber die unvermeidlichen und unerwünschten negativen Folgen invasiver Lösungen riskieren.

Weitere Informationen

Finanzierung

Diese Forschungsarbeit wurde vom SNF finanziert, Sinergia Grant an die Professoren D. Pioletti und N. Stergiopulos an der EPFL und an Dr. K. Sandu am CHUV.

Referenzen

Ece Uslu, Vijay Kumar Rana, Sokratis Anagnostopoulos, Peyman Karami, Alessandra Bergadano, Cecile Courbon, Francois Gorostidi, Kishore Sandu, Nikolaos Stergiopulos, Dominique P. Pioletti, Wet Adhesive Hydrogels to Correct Malacic Trachea (Tracheomalacia) A Proof of Concept, iScience (2023)