Katastrophale Klimaerwärmung ist plausibler als wir dachten

EPFL-Forschende haben ein Bewertungssystem entwickelt, um die Plausibilität der Klimamodell-Simulationen im jüngsten IPCC-Bericht zu beurteilen, und zeigen, dass Modelle, die zu einer potenziell katastrophalen Erwärmung führen, ernst zu nehmen sind.
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Wie wird das Klima der Zukunft aussehen? Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf der ganzen Welt erforschen den Klimawandel, stellen Modelle des Erdsystems und umfangreiche Beobachtungsdaten zusammen, in der Hoffnung, das Klima des Planeten zu verstehen und für die nächsten 100 Jahre vorherzusagen. Aber welche Modelle sind am plausibelsten und spiegeln die Zukunft des Klimas auf unserem Planeten am besten wider?

Um diese Frage zu beantworten und die Plausibilität eines bestimmten Modells zu bewerten, haben die EPFL-Forschenden ein Bewertungssystem entwickelt und die Ergebnisse der Klimamodelle klassifiziert, die von der globalen Klimagemeinschaft erstellt und in den jüngsten IPCC-Bericht aufgenommen wurden. Die EPFL-Klimafachleute stellen fest, dass etwa ein Drittel der Modelle die vorhandenen Daten zur Meeresoberflächentemperatur nicht gut wiedergibt. Ein Drittel der Modelle ist robust und reagiert nicht besonders empfindlich auf Kohlenstoffemissionen. Das andere Drittel ist ebenfalls robust, sagt aber aufgrund der hohen Empfindlichkeit gegenüber Kohlenstoffemissionen eine besonders heisse Zukunft für den Planeten vorher. Die Ergebnisse sind in Nature Communications veröffentlicht.

«Wir zeigen, dass die kohlenstoffsensitiven Modelle, die eine viel stärkere Erwärmung vorhersagen als die wahrscheinlichste IPCC-Schätzung, plausibel sind und ernst genommen werden sollten», sagt Athanasios (Thanos) Nenes, EPFL-Professor am Laboratory of Atmospheric Processes and their Impacts, Affiliate Researcher an der Foundation for Research and Technology Hellas und, zusammen mit der Doktorandin Lucile Ricard, Autor der Studie.

«Mit anderen Worten: Die derzeitigen Massnahmen zur Verringerung der Kohlenstoffemissionen, die auf niedrigeren Schätzungen der Kohlenstoffempfindlichkeit beruhen, reichen möglicherweise nicht aus, um eine katastrophal heisse Zukunft einzudämmen», sagt Ricard.

«Die derzeitigen Massnahmen zur Verringerung der Kohlenstoffemissionen, die auf niedrigeren Schätzungen der Kohlenstoffempfindlichkeit beruhen, reichen möglicherweise nicht aus, um eine katastrophal heisse Zukunft einzudämmen.»      Lucile Ricard, Doktorantin und Co-Autorin der Studie

Bewertung der Plausibilität eines Klimamodells: Big Data-Analyse

Seit Mitte des 19. Jahrhunderts beobachtet die Wissenschaft systematisch den Planeten und misst meteorologische Variablen wie Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Luftdruck, Wind, Niederschlag, Zustand der Ozeane und des Eises auf der Erde. Vor allem in den letzten Jahrzehnten, mit den Beobachtungsnetzen und dem Einsatz von Satelliten, ist die Menge der Beobachtungsdaten enorm, und die Nutzung dieser Informationen zur Vorhersage aller Aspekte der Klimazukunft ist eine gewaltige Aufgabe.

Um ein bestimmtes Klimamodell zu bewerten, haben die EPFL-Forschenden ein Tool namens «netCS» entwickelt, das die Ergebnisse von Klimamodellen mit Hilfe von maschinellem Lernen gruppiert, ihr Verhalten nach Regionen zusammenfasst und die Ergebnisse mit den vorhandenen Daten vergleicht. Mit Hilfe von netCS können die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler feststellen, welche Klimasimulationen die Beobachtungen am besten wiedergeben - und sie entsprechend einstufen.

«Unser Ansatz ist ein effektiver Weg, um ein bestimmtes Klimamodell schnell zu bewerten, da netCS in der Lage ist, Terabytes von Daten an einem Nachmittag zu sichten», erklärt Ricard. «Unsere Modellbewertung ist eine neuartige Art der Modellbeurteilung und ergänzt in hohem Masse diejenigen, die aus historischen Aufzeichnungen, Paläoklimaaufzeichnungen und dem Prozessverständnis im IPCC-Bewertungsbericht 2021 AR6 gewonnen wurden.»

Nenes, der zur Teilnahme an der IPCC AR7-Scoping-Sitzung in Malaysia eingeladen ist, ist griechischer Herkunft. Er erinnert sich an ein Klavierkonzert, das er vor fast dreissig Jahren mitten im Sommer in Athen gab: «Die Temperaturen erreichten damals Spitzenwerte zwischen 33 und 36 Grad Celsius und zählten zu den höchsten Temperaturen des Jahres. Ich werde nie vergessen, wie schwierig es war, bei dieser Hitze Klavier zu spielen. Heute wird Griechenland im Sommer oft von Temperaturen über 40 Grad geplagt. Waldbrände sind an der Tagesordnung, sie greifen sogar auf Städte über und haben vor kurzem Stadtteile niedergebrannt, in denen ich früher gewohnt habe. Und es wird nur noch schlimmer werden. Der Planet brennt buchstäblich. Die Temperaturen brechen weltweit Jahr für Jahr Rekorde, mit all ihren Folgen.»

«Manchmal habe ich das Gefühl, dass die Klimafachleute ein bisschen wie Kassandra aus der griechischen Mythologie sind», schliesst Nenes, «ihr wurde die Macht der Prophezeiung verliehen, aber sie wurde verflucht, damit niemand auf sie hört. Aber diese Trägheit oder Untätigkeit sollte uns nicht entmutigen, sondern motivieren. Wir müssen gemeinsam aufwachen und uns wirklich mit dem Klimawandel auseinandersetzen, denn er könnte sich viel stärker beschleunigen, als wir dachten».

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Natur

Referenzen

Lucile Ricard, Fabrizio Falasca, Jakob Runge, Athanasios Nenes, network-based constraint to evaluate climate sensitivity, Nature Communicatrion, August 2024

Diese Forschung wurde durch das Forschungs- und Innovationsprogramm Horizon 2020 der Europäischen Union unter der Marie Skłodowska-Curie-Finanzhilfevereinbarung Nr. 860100 (iMIRACLI), durch das FORCeS-Projekt im Rahmen des Forschungsprogramms Horizon 2020 der Europäischen Union mit der Finanzhilfevereinbarung Nr. 821205 und durch das CleanCloud-Projekt im Rahmen des Forschungsprogramms Horizon Europe mit der Finanzhilfevereinbarung Nr. 101137639 unterstützt.