Bessere Batterien für E-Autos
Zu wenig Reichweite, zu langsames Laden bei tiefen Temperaturen. Die Liste der Vorurteile bezüglich Elektroautos ist lang. Auch wenn die Fortschritte rasant sind, bleiben die Batterien doch die kritische Komponente für die Elektromobilität – und für viele andere Anwendungen, vom Smartphone bis zu grossen Speichern zur Stabilisierung des Stromnetzes. Das Problem: Nach wie vor haben die Entwickler von Batterien nicht vollständig verstanden, was beim Laden und Entladen chemisch und physikalisch passiert, vor allem im flüssigen Elektrolyten zwischen den beiden Elektroden, durch den der Austausch der elektrischen Ladungsträger erfolgt.
Eric Ricardo Carreon Ruiz vom PSI bringt nun Licht ins Dunkel. Mit Neutronen aus der Schweizer Spallations-Neutronenquelle SINQ untersucht der Doktorand in der Forschungsgruppe von Pierre Boillat am PSI unterschiedliche Elektrolyte, etwa auf ihr Verhalten bei schwankenden Temperaturen. Seine Ergebnisse liefern wichtige Erkenntnisse, die bei der Entwicklung neuer Elektrolyte und leistungsfähigerer Batterien helfen können.
Einblick mit Neutronen
Für seine Messungen nutzt das Team, zu dem auch die PSI-Forschenden Jong Min Lee, Natalie Stalder und Lorenz Gubler sowie Forschende aus Grossbritannien und Dänemark gehören, die Time-of-flight-Technik. Die ist zwar in der Bildgebung mit Neutronen etabliert, hatte bisher aber den Nachteil, dass die Belichtungszeiten zu lang waren, um schnelle Veränderungen sichtbar zu machen.
Durch Kombination von bildgebender Neutronen-Spektroskopie und Neutronen-Abschwächung hat das Team die Time-of-flight-Technik so weiterentwickelt, dass nun auch schnelle Änderungen sichtbar werden, zum Beispiel wenn der flüssige Elektrolyt in der Batterie bei tiefen Temperaturen fest wird.
Bei der Analyse wird der kontinuierliche Neutronenstrahl aus der SINQ durch eine rotierende Lochscheibe in kleine Pakete zerlegt. Weil die Neutronen darin unterschiedliche Energien und damit Geschwindigkeiten haben, ziehen sie sich in einer mehrere Meter langen Röhre auseinander. Die schnellen Neutronen erreichen das Ende der Röhre zuerst, die langsamen folgen kurz darauf. Weil in der Physik die Energie eines Elementarteilchens mit seiner Wellenlänge verknüpft ist, fliegen aus dem Rohr Neutronen mit unterschiedlicher Wellenlänge, erst die mit kurzer, dann die mit immer grösserer Wellenlänge. Die Probe mit dem Elektrolyten dahinter wird also innerhalb eines Pulses von einigen Millisekunden von Neutronen mit unterschiedlicher Wellenlänge abgetastet. Die Neutronen wechselwirken dabei mit den Atomen in den organischen Molekülen, aus denen der Elektrolyt besteht. An der Veränderung dieser Wechselwirkung bei den Wasserstoffatomen über die Zeit in Abhängigkeit von der Wellenlänge können die Forschenden erkennen, welche physikalischen und chemischen Prozesse sich gerade im Elektrolyt abspielen.
Wie reagieren Batterien bei unterschiedlichen Temperaturen?
Jeder Batteriehersteller nutzt seine eigene Rezeptur für den Elektrolyten. Die häufigste Mixtur ist eine Eins-zu-eins-Mischung aus den beiden organischen Substanzen Ethylencarbonat und Dimethylcarbonat sowie einer Prise Lithiumsalz. Aber auch andere Mischungen sind üblich, und das PSI-Experiment kann sie zuverlässig unterscheiden. Das eigentliche Ziel ist jedoch, physikalische und chemische Veränderungen im Elektrolyten bei unterschiedlichen Temperaturen zu verfolgen. Dazu wird die Temperatur mehrfach zwischen minus 20 und plus 50 Grad Celsius auf und ab reguliert. Dabei zeigt sich, dass die Flüssigkeit bei tiefen Temperaturen fest wird. Das ist schon lange bekannt, weswegen Batterien von Elektrofahrzeugen im Winter vor dem Laden aufgeheizt werden. Wie genau und an welchen Stellen in der Batterie dieser Prozess stattfindet, lässt sich jetzt mit dem PSI-Experiment nachvollziehen. In den Spektroskopie-Bildern ist sogar zu sehen, wie sich die beiden organischen Bestandteile bei tiefen Temperaturen entmischen und das Ethylencarbonat nach unten sinkt. Die Messungen geben erstmals auch räumliche Information darüber, bei welchen Elektrolyten und bei welchen Temperaturen dieser Phasenübergang stattfindet.
Filme von Vorgängen in einer Batterie
«Mit der Time-of-flight-Neutronen-Bildgebung können wir physikalische und chemische Veränderungen in einem Elektrolyten wie in einem Film verfolgen, so dass wir visuell beurteilen können, wann und wo diese Änderungen geschehen», sagt Carreon Ruiz. «Dies ist nur der erste Schritt, denn wir loten die Grenzen der Technik aus, um Batterien zu verstehen und zu verbessern.» Die Methode funktioniert nicht nur «ex situ», also wenn der Elektrolyt in einem Probenbehälter in den Neutronenstrahl gebracht wird, sondern auch «in situ», also in kompletten Batteriezellen, wie sie unter anderem in Elektrofahrzeugen eingebaut sind. Und sogar «operando», wenn diese Batterien in Betrieb sind und gerade geladen und entladen werden.
Die Methode eigne sich nicht nur für Elektrolyte, sondern für viele andere Materialien, sofern sie einen hohen Anteil an Wasserstoff enthielten, betont Pierre Boillat. Er lädt andere Forschende ein, die Methode für weitere Anwendungen weiterzuentwickeln und mit anderen Messmethoden zu kombinieren. «Es gibt keine Messtechnik, die Antwort auf alles gibt, auch die Time-of-flight-Neutronen-Bildgebung nicht. Nur die Zusammenarbeit von Techniken aus der Grundlagenforschung und der angewandten Forschung kann ein ausreichend umfassendes Bild liefern.» Grundsätzlich seien auch die Batterie-Hersteller willkommen, allerdings immer im Rahmen von interessanten Forschungsprojekten. Die Methode eignet sich gut für die Untersuchung einzelner Batterien – auch mit Metallgehäusen –, wobei die grösste Einschränkung die Dicke der Probe ist.
Die Ergebnisse aus dem Forschungsprojekt wurden kürzlich im Fachmagazin Science Advances publiziert.