Stilvolle Sensoren zum Anziehen
Der Wunsch nach einem gesunden Lebensstil hat in unserer Gesellschaft einen Trend zum «Self-Tracking» ausgelöst. Vitalwerte sollen jederzeit abrufbar sein, etwa um Trainingseffekte konsequent zu messen. Gleichzeitig ist bei der kontinuierlich wachsenden Bevölkerungsgruppe der über 65-Jährigen der Wunsch, bis ins hohe Alter leistungsfähig zu bleiben, stärker denn je. Präventive, gesundheitserhaltende Massnahmen müssen hierbei kontrolliert werden, sollen sie das gewünschte Ergebnis erzielen. Die Suche nach Messsystemen, die entsprechende Gesundheitsparameter zuverlässig ermitteln, läuft auch Hochtouren. Neben dem Freizeitbereich benötigt die Medizin geeignete und verlässliche Messsysteme, die eine effiziente und wirksame Betreuung von immer mehr Menschen im Spital oder zuhause ermöglichen. Denn die Zunahme von Zivilisationskrankheiten wie Diabetes, Herz-Kreislaufproblemen oder Atemwegserkrankungen belastet das Gesundheitssystem.
Schön und präzise
Empa-Forschende um Simon Annaheim vom «Biomimetic Membranes and Textiles» Labor in St. Gallen entwickeln daher Sensoren für die Überwachung des Gesundheitszustandes, etwa für einen Diagnostik-Gurt, der auf flexiblen Sensoren mit elektrisch leitfähigen bzw. lichtleitenden Fasern basiert. Für die Akzeptanz einer kontinuierlichen medizinischen Überwachung bei den Patientinnen und Patienten können aber ganz andere, weniger technisch geprägte Eigenschaften entscheidend sein: So müssen die Sensoren angenehm zu tragen und einfach zu handhaben sein – und im Idealfall auch noch gut aussehen.
Diesen Aspekt greift ein Kooperationsprojekt zwischen der «Textile and Design Alliance», kurz TaDA, in der Ostschweiz und der Empa auf. Hierbei wurden Möglichkeiten aufgezeigt, wie textile Sensoren in Kleidungsstücke integriert werden können. Dabei stand neben der technischen Zuverlässigkeit und einem hohen Tragekomfort auch das Design der Kleidungsstücke im Zentrum. Die interdisziplinäre TaDA-Designerin Laura Deschl arbeitete elektrisch leitfähige Fasern in ein Shirt ein, die ihren Widerstand je nach Dehnung verändern. Damit kann das Shirt überwachen, wie stark sich Brustkorb und Bauch der Probanden beim Atmen heben und senken, was Rückschlüsse auf die Atemaktivität erlaubt. Eine kontinuierliche Überwachung der Atemtätigkeit ist speziell bei Patientinnen und Patienten während der Aufwachphase nach einer Operation sowie bei Patientinnen, die mit Schmerzmitteln behandelt werden, von Interesse. Auch für Patientinnen mit Atemproblemen wie Schlafapnoe oder Asthma könnte ein solches Shirt hilfreich sein. Zusätzlich stickte Deschl elektrisch leitfähige Fasern der Empa ins Shirt ein, die für die Verbindung zum Messgerät benötigt werden und die optisch in das Muster des Shirts integriert wurden.
Ein Netzwerk für Textilwirtschaft, Kultur und Forschung
Die «Textile and Design Alliance» ist ein Pilotprogramm der Kulturförderung der Kantone Appenzell Ausserrhoden, St.Gallen und Thurgau, um die Zusammenarbeit zwischen Kulturschaffenden aus aller Welt und der Textilindustrie zu fördern. Über internationale Ausschreibungen werden Kulturschaffende aller Sparten zu einem dreimonatigen Arbeitsaufenthalt in der Ostschweizer Textilwirtschaft eingeladen. Das TaDA-Netzwerk umfasst 13 Kooperationspartner – Textilunternehmen, Kultur-, Forschungs- und Bildungsinstitutionen – und bietet den Kulturschaffenden dadurch direkten Zugang zu hochspezialisiertem Know-how und technischen Produktionsmitteln, um vor Ort an ihren textilen Projekten arbeiten, forschen und experimentieren. Diese künstlerische Kreativität wird den Partnern wiederum im Austausch als innovatives Potenzial zugänglich gemacht.
Während der Projektphase wurde Laura Deschl von Schoeller Textil AG (Rohware), Lobra (Transferdruck) und dem Saurer Museum (leitfähige Stickerei) bei der Realisierung des Prototyps unterstützt. Zudem erhielt sie fachliche Begleitung bezüglich der Druckqualität durch Martin Leuthold. Ideen für eine Weiterführung des Projekts sind bereits vorhanden; sie zielen auf eine smarte Patientenbekleidung ab, die die wichtigsten physiologischen Parameter ohne zusätzliche Sensorik erfassen und messen kann.