Ausstellung zur Bedeutung des Lichts für die Gesundheit

EPFL- und HEAD-Forschende haben eine Installation eingerichtet, um das Bewusstsein für die Bedeutung des natürlichen Lichts für die menschliche Gesundheit und die Rolle der Architektur in städtischen Umgebungen bei der Modulation dieses Lichts zu schärfen. Die Ausstellung wird im Herbst 2021 an der Biennale für Architektur und Städtebau in Seoul zu sehen sein.
© 2021 EPFL / Alain Herzog

Natürliches Licht spielt eine entscheidende Rolle bei der Regulierung unserer zirkadianen Rhythmen, die eine Vielzahl biologischer Prozesse diktieren, vom Schlaf-Wach-Rhythmus über unseren Wachheitsgrad bis hin zur Hormonproduktion. Verantwortlich dafür ist ein Photorezeptor namens Melanopsin in unseren Augen, der erst vor etwa 20 Jahren entdeckt wurde und damit ein noch relativ neues Forschungsthema darstellt. Ausserdem hängt unsere Lichtexposition stark von der Architektur der Gebäude und Städte ab, in denen wir leben.

Genau das will Circa Diem (lateinisch für «etwa einen Tag») mit einer Struktur beleuchten, die im Sommer 2021 auf dem Campus der EPFL entworfen und aufgebaut wird. Das von Forschenden der EPFL und der HEAD-Genève (Haute Ecole d'Art et de Design) errichtete Gebäude befasst sich mit der Beziehung zwischen Architektur, Sonnenlicht und den Auswirkungen ihrer Dynamik auf die menschliche Gesundheit. «Menschen, die in Städten leben, verbringen fast 90 % ihrer Zeit in Innenräumen und haben in der Regel keinen Zugang zu natürlichem Licht», erklärt Marilyne Andersen, Initiatorin und Mitinitiantin des Projekts und Leiterin des Laboratory of Integrated Performance in Design (LIPID) an der EPFL. «Das kann dazu führen, dass sie sich schläfriger und weniger wach fühlen und sogar ihr Immunsystem beeinträchtigen.»

«Bei Circa Diem gehen wir mit der Lichtformungstechnologie bis an ihre Grenzen, um ein einzigartiges visuelles Erlebnis zu schaffen.»      Mark Pauly

Die Installation zielt darauf ab, die Öffentlichkeit dafür zu sensibilisieren, wie wichtig eine ausreichende Sonneneinstrahlung für das optimale Funktionieren dieser natürlichen Systeme ist. Sie ist nicht nur das Ergebnis wissenschaftlicher Forschung auf dem Gebiet der Neurophysiologie, sondern auch der modernsten optischen Technologie des EPFL-Labors für geometrische Berechnungen, das von Mark Pauly geleitet wird, und von Rayform, einer Ausgründung dieses Labors. Die Forschenden verwenden so genannte Kaustikplatten, sorgfältig gefertigte Freiformlinsen, die Lichtstrahlen so umlenken, dass sie klar erkennbare Bilder erzeugen. Diese Innovation ermöglicht eine völlig neue Art des immersiven Geschichtenerzählens, die anhand von sieben typischen Szenen des städtischen Tag-Nacht-Zyklus veranschaulicht wird: «In Circa Diem gehen wir mit der Lichtformungstechnologie bis an ihre Grenzen, um ein einzigartiges visuelles Erlebnis zu schaffen. Gleichzeitig unterstreicht die Installation das Potenzial der Architektur, uns wieder mit unserem zirkadianen Rhythmus zu verbinden, indem wir das Sonnenlicht tief in den städtischen Raum lenken», betont Pauly.

Unter Einbezug des Fachwissens der Abteilung für Innenarchitektur der HEAD-Genève, die von Professor Javier Fernández Contreras geleitet wird, wurde eine 6 m hohe und 4 m breite zylindrische Struktur errichtet. Ausgestattet mit einer Vielzahl optischer Vorrichtungen, ermöglicht Circa Diem den Besuchenden, in etwa 7 Minuten die 4 Phasen des Tages zu erleben: Morgen, Mittag, Abend und Nacht, dank wechselnder Farben, gebrochener Bilder und Lichter. Darüber hinaus soll der obere Teil der Struktur eine dichte Skyline simulieren – einen «urbanen Canyon» –, der an dichte städtische Gebiete erinnert, deren architektonische Eigenschaften einen ausreichenden Zugang zum Himmelslicht nicht zulassen: «Circa Diem verkörpert die Bedeutung des natürlichen Lichts für die menschliche Physiologie sowie die architektonische Gestaltung und zeigt wissenschaftliche Innovationen in einem Pavillon, der in seiner formalen Einfachheit bewusst primitiv und in seiner Verwendung von Technologie und Materialien äusserst zeitgemäss ist. Auf der Türschwelle taucht die Besucherin oder der Besucher in einen immersiven Raum ein, dessen Material Licht und seine Fotoleistung sind», sagt Fernandez Contreras.

© 2021 EPFL / Alain Herzog - CC BY-SA 4.0

Das Projekt Circa Diem wird vom 16. September bis zum 31. Oktober an der Biennale für Architektur und Urbanismus in Seoul in einer hybriden Form ausgestellt: ein totemisches Bauwerk mit denselben Abmessungen und demselben Volumen wie das beschriebene, in dem aber stattdessen eine virtuelle Version des Erlebnisses gezeigt wird, da die anhaltende Pandemie das Team letztlich daran hinderte, die vollständige Installation vor Ort zu bauen. Im November 2022 wird sie für sechs Monate in den EPFL-Pavillons (ehemals «ArtLab») im Rahmen einer Ausstellung mit dem Titel «LIGHT IN – die Biologie der Zeit» zu sehen sein; eine öffentliche Enthüllung der Circa Diem-Installation ist ein Jahr zuvor, am 18. November 2021, an der EPFL geplant. Die Website circadiem.ch ist über einen QR-Code auf der Aussenhaut mit der Installation verbunden, um den Besucherinnen und Besuchern zu helfen, das Projekt zu verstehen, mehr über die verwendeten optischen Effekte zu erfahren und die Prinzipien der Neurophysiologie zu entdecken, die Circa Diem inspiriert haben.

Über die Ausstellung hinaus wird Andersens Labor die Auswirkungen der Lichtverhältnisse auf die Gesundheit des Menschen weiter erforschen. Einfache Tipps können bereits im Alltag angewandt werden: «Eine Angewohnheit von uns ist es, die Jalousien immer unten zu lassen, weil wir irgendwann am Morgen geblendet wurden. Das ist eigentlich sehr schlecht für die Gesundheit», erklärt Andersen. Auf ihrem Schreibtisch stapeln sich Kisten voller Lichtsensoren, die für eine lokale Studie zur Lichtexposition und zum Pendeln verwendet werden sollen, bevor sie für das nächste Kapitel ihrer Forschung in isländische Klassenzimmer geschickt werden, um Gruppen von Studierenden zu vergleichen, die in unterschiedlichen Lichtverhältnissen leben: «Es wurde viel darüber nachgedacht, was man messen sollte, um das Wissen auf diesem Gebiet zu erweitern. Jetzt, da wir einen Sensor entwickelt haben, der das kann, werden wir das auch tun», schliesst Andersen.

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