Stammzellen zur Behandlung der Makuladegeneration
Mit dem Alter verändern sich auch unsere Augen. Meistens sind damit Veränderungen der Sehkraft und eine neue Brille verbunden, aber es gibt auch schwerwiegendere Formen von altersbedingten Augenproblemen. Eine davon ist die altersbedingte Makuladegeneration, bei der die Makula betroffen ist – der hintere Teil des Auges, der uns scharfes Sehen und die Fähigkeit, Details zu erkennen, ermöglicht. Das Ergebnis ist eine Unschärfe im zentralen Teil unseres Gesichtsfelds.
Die Makula ist Teil der Netzhaut des Auges, des lichtempfindlichen Gewebes, das hauptsächlich aus den Sehzellen des Auges besteht: den Zapfen- und Stäbchen-Photorezeptoren. Die Netzhaut enthält auch eine Schicht, das so genannte retinale Pigmentepithel (RPE), die mehrere wichtige Funktionen hat, darunter die Lichtabsorption, die Beseitigung von Zellabfällen und die Gesunderhaltung der anderen Zellen des Auges.
Die Zellen des RPE ernähren und erhalten auch die Photorezeptorzellen des Auges, weshalb eine der vielversprechendsten Behandlungsstrategien für altersbedingte Makuladegeneration darin besteht, alternde, degenerierende RPE-Zellen durch neue, aus menschlichen embryonalen Stammzellen gezüchtete Zellen zu ersetzen.
Forschende haben mehrere Methoden vorgeschlagen, um Stammzellen in RPE-Zellen umzuwandeln, aber es gibt immer noch eine Lücke in unserem Wissen darüber, wie die Zellen im Laufe der Zeit auf diese Stimuli reagieren. So dauern einige Protokolle nur wenige Monate, während andere bis zu einem Jahr dauern können. Die Forschenden sind sich jedoch nicht im Klaren darüber, was genau in diesem Zeitraum geschieht.
Gemischte Zellpopulationen
«Keines der für klinische Versuche vorgeschlagenen Differenzierungsprotokolle wurde im Laufe der Zeit auf Einzelzellebene untersucht – wir wissen, dass sie Pigmentzellen der Netzhaut bilden können, aber wie sich die Zellen zu diesem Zustand entwickeln, bleibt ein Rätsel», sagt Dr. Gioele La Manno, Forscher im Programm ELISIR (Life Sciences Independent Research) der EPFL.
«Insgesamt hat sich das Feld so sehr auf das Produkt der Differenzierung konzentriert, dass der Weg dorthin manchmal übersehen wurde», fügt er hinzu: «Um das Feld voranzubringen, ist es wichtig, Aspekte der Dynamik zu verstehen, die in diesen Protokollen ablaufen. Der Weg zur Reife könnte ebenso wichtig sein wie der Endzustand, beispielsweise für die Sicherheit der Behandlung oder für die Verbesserung der Zellreinheit und die Verkürzung der Produktionszeit.»
Verfolgung von Stammzellen beim Wachstum zu RPE-Zellen
La Manno hat nun zusammen mit Professor Fredrik Lanner vom Karolinska-Institut (Schweden) eine Studie durchgeführt, in der ein Protokoll zur Differenzierung menschlicher embryonaler Stammzellen in RPE-Zellen entwickelt wurde, das tatsächlich für den klinischen Einsatz bestimmt ist. Ihre Arbeit zeigt, dass mit diesem Protokoll sichere und effiziente Therapien auf der Grundlage pluripotenter Stammzellen für die altersbedingte Makuladegeneration entwickelt werden können. Die Studie wird diesen Monat in der Fachzeitschrift Stem Cell Reports veröffentlicht und auf der Titelseite vorgestellt.
«Standardmethoden wie die quantitative PCR und die Massen-RNA-Seq erfassen die durchschnittliche Expression von RNAs aus grossen Zellpopulationen», sagt Alex Lederer, Doktorand an der EPFL und einer der Hauptautoren der Studie. «In gemischten Zellpopulationen können diese Messungen kritische Unterschiede zwischen den einzelnen Zellen verdecken, die wichtig sind, um zu wissen, ob der Prozess korrekt abläuft.»
Differenzierung menschlicher embryonaler Stammzellen in retinales Pigmentepithel für therapeutische Zwecke zur Behandlung der akuten Makuladegeneration. Die «Lichtstrahlen» stellen die Anwendung der Sequenzierung von einzelliger RNA dar und zeigen den Zustand der Genexpression der Zellen zu Beginn, in der Mitte und am Ende der Differenzierung des retinalen Pigmentepithels auf. Bildrechte: Ella Maru Studio.
Betrachtung von Zwischenzuständen
Mithilfe von scRNA-seq konnten die Forschenden das gesamte Genexpressionsprofil einzelner menschlicher embryonaler Stammzellen während des gesamten Differenzierungsprotokolls, das insgesamt sechzig Tage dauert, untersuchen. Dies ermöglichte es ihnen, alle Übergangszustände innerhalb einer Population zu erfassen, während sie zu retinalen Pigmentzellen heranwuchsen, aber auch das Protokoll zu optimieren und das Wachstum von Nicht-RPE-Zellen zu unterdrücken, um so die Bildung kontaminierter Zellpopulationen zu verhindern. «Ziel ist es, gemischte Zellpopulationen zum Zeitpunkt der Transplantation zu verhindern und sicherzustellen, dass die Zellen am Endpunkt den ursprünglichen RPE-Zellen aus dem Auge einer Patientin oder eines Patienten ähnlich sind», sagt Lederer.
Sie fanden heraus, dass die Stammzellen auf ihrem Weg zu RPE-Zellen einen Prozess durchlaufen, der der frühen Embryonalentwicklung sehr ähnlich ist. Dabei durchlief die Zellkultur eine «rostrale Embryomusterung», den Prozess, bei dem sich das Neuralrohr des Embryos entwickelt, aus dem später das Gehirn und die Sinnessysteme für Sehen, Hören und Schmecken hervorgehen werden. Nach dieser Musterung begannen die Stammzellen, zu RPE-Zellen zu reifen.
Auge in Auge: Transplantation von RPE-Zellen in einem Tiermodell
Das Ziel des Differenzierungsprotokolls ist es jedoch, eine reine Population von RPE-Zellen zu erzeugen, die in die Netzhaut von Patientinnen und Patienten implantiert werden kann, um die Makuladegeneration zu verlangsamen. Daher transplantierte das Team seine Zellpopulation, die mit scRNA-seq überwacht worden war, in den subretinalen Raum von zwei weiblichen weissen Neuseeland-Albino-Kaninchen, die von Forschenden als «grossäugiges Tiermodell» bezeichnet werden. Der Eingriff wurde nach Genehmigung durch die Ethikkommission für Tierversuche im Norden Stockholms durchgeführt.
Die Arbeit zeigte, dass das Protokoll nicht nur eine reine RPE-Zellpopulation hervorbringt, sondern dass diese Zellen auch nach der Transplantation in den subretinalen Raum weiter reifen können. «Unsere Arbeit zeigt, dass das Differenzierungsprotokoll sichere und effiziente Therapien auf der Grundlage pluripotenter Stammzellen für die altersbedingte Makuladegeneration entwickeln kann», sagt Dr. Fredrik Lanner, der derzeit dafür sorgt, dass das Protokoll bald in Kliniken eingesetzt werden kann.