Neue Medikamententypen gegen Antibiotikaresistenzen

EPFL-Forschende entwickeln einen neuen Ansatz, der helfen kann, die Flut der Antibiotikaresistenzen einzudämmen.
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«Antibiotikaresistente Infektionen sind jedes Jahr für mehr als eine Million Todesfälle verantwortlich, darunter 250 000 Kinder unter fünf Jahren», sagt Prof. Alexandre Persat, Leiter des Labors für mikrobielle Mechanik an der EPFL, «im Moment haben die Ärztinnen und Ärzte kaum andere Möglichkeiten. Die Situation ist bereits katastrophal, und wenn wir nicht schnell eine wirksame Antwort finden, wird sie noch viel schlimmer werden.»

Eine höchst problematische Kategorie von Bakterien

Multiresistente Bakterien sind eine häufige Ursache für Todesfälle, insbesondere bei nosokomialen Infektionen, das heisst bei Infektionen, die in einem Krankenhaus oder einer anderen Gesundheitseinrichtung übertragen werden. «Die Weltgesundheitsorganisation hat die Entwicklung neuer Behandlungsmethoden gefordert und Pseudomonas aeruginosa ausdrücklich als kritischen Krankheitserreger genannt», so Persat.

P. aeruginosa ist genau das Ziel von Persats Forschung. Dieses Bakterium kann bei immunsupprimierten Patientinnen und Patienten mit Mukoviszidose (mit einer Häufigkeit von 70 %) zu schweren Infektionen führen. Ausserdem ist es für 15 % der nosokomialen Infektionen verantwortlich. «In einigen Fällen sind die Antibiotika der letzten Instanz, die zur Behandlung von P. aeruginosa-Infektionen eingesetzt werden, nämlich Colistin, bereits unwirksam», sagt Persat. «Das bedeutet, dass diese Patientinnen und Patienten kaum noch Hoffnung auf Heilung haben.»

«Die Grundlagenforschung wird bei der Lösung dieses Problems eine zentrale Rolle spielen, denn nur so können Forschende die Achillesferse bestimmter Bakterientypen ausfindig machen.»      Alexandre Persat, Professor EPFL, Leiter des Labors

Ein neuer Ansatz auf der Grundlage der Mechanik

Die Antibiotikaresistenz ist ein globales Problem für die öffentliche Gesundheit. Sie wird durch mehrere Faktoren verursacht, unter anderem durch den übermässigen Einsatz von Antibiotika in der Landwirtschaft. «Die Grundlagenforschung wird eine zentrale Rolle bei der Lösung dieses Problems spielen, denn nur so können die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Achillesferse bestimmter Bakterientypen ausfindig machen», sagt Persat, «dann können wir gezielte Behandlungen entwickeln». Seine Forschungsgruppe konzentriert sich speziell auf eine übersehene Eigenschaft von Bakterien: ihren Tastsinn. Sie haben herausgefunden, dass Bakterien virulenter werden, wenn sie an eine Oberfläche gebunden sind.

In einer Studie, die kürzlich im EMBO Journal veröffentlicht wurde, identifizierte Persats Forschungsgruppe die genauen molekularen Mechanismen, die es P. aeruginosa ermöglichen, eine Oberfläche zu ertasten: «Die Bakterien werden durch den Kontakt mit einer Oberfläche stimuliert, was ein wichtiger Faktor für das Fortschreiten einer Infektion und die Empfindlichkeit der Bakterien gegenüber Antibiotika zu sein scheint», sagt Persat. «In einer anderen Studie haben wir beispielsweise gezeigt, dass P. aeruginosa einen Biofilm bildet, wenn es auf eine weiche Oberfläche trifft, wie zum Beispiel in unserer Lunge, was die idealen Bedingungen für die Entwicklung einer Antibiotikaresistenz bietet. Unsere Entdeckung wird uns und anderen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern helfen, neue Strategien zur Behandlung von P. aeruginosa-Infektionen zu entwickeln.»

Deaktivierung von Bakterien zur Verhinderung von Infektionen

Zur Bekämpfung multiresistenter Krankheitserreger werden eindeutig neue Antibiotikaklassen benötigt. Doch dieser Ansatz hat seine Grenzen, denn früher oder später werden die Bakterien auch gegen diese Antibiotika resistent werden und sich weiter vermehren und Menschen infizieren. Ein anderer Ansatz, der ebenfalls von Persat untersucht wird, besteht darin, Bakterien zu «deaktivieren» – anstatt sie zu vernichten –, und zwar mit so genannten Anti-Virulenz-Medikamenten, die Bakterien unfähig machen, eine Infektion zu verursachen, ohne ihren eigenen Tod zu provozieren.

Weitere Informationen

Finanzierung

  • Fondation Jacqueline Beytout
  • ENABLE und Catalyze for life
  • Schweizerischer Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung