Mit Proteinen kontaminierte Böden reinigen

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der EPFL arbeiten an nachhaltigen Ansätzen zur Bodensanierung, wie etwa dem Einsatz von natürlich vorkommenden Mikroorganismen, die Schadstoffe im Boden und im Grundwasser «fressen» können.
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Im Jahr 2020 stellte die Stadt Lausanne fesrt, dass grosse Teile ihrer Böden mit Dioxinen, also chlorierten organischen Verbindungen, kontaminiert waren. Diese Verschmutzung ist hauptsächlich auf verbrennungsbedingte Herstellungsprozesse zurückzuführen. Die meisten Bodenverunreinigungen in der Schweiz sind entweder Dioxine oder Schwermetalle. Es gibt zwar Methoden zur Sanierung dieser Art von Verunreinigungen, aber sie sind in der Regel teuer und langwierig. Die Behörden stehen daher vor der schwierigen Entscheidung, den Boden zu sanieren oder ihn so zu belassen, wie er ist, auch wenn er ein wenig verschmutzt ist.

Seit einigen Jahren arbeiten Forschende gemeinsam mit Unternehmen an der Entwicklung nachhaltigerer Konzepte für die Bodensanierung. Eine Möglichkeit ist die Bioremediation, d. h. der Einsatz von natürlich vorkommenden Mikroorganismen (wie Pilze und Bakterien), die Schadstoffe «fressen» können, auch solche, die im Boden und im Grundwasser vorkommen. Die Mikroorganismen verstoffwechseln die Schadstoffe und setzen dabei die Energie frei, die sie zum Leben und zur Vermehrung brauchen, und bauen die schädlichen Chemikalien ab: «Das ist so, als würden wir Nudeln oder andere Kohlenhydrate essen», sagt Christof Holliger, Leiter des Labors für Umweltbiotechnologie der EPFL, «unser Körper zerlegt sie in Glukose, die unsere Zellen zum Funktionieren brauchen.»

Proteine, die Chlor bekämpfen können

Holligers Forschungsgruppe befasst sich seit Jahren mit der Biosanierung, insbesondere mit dem Einsatz von Bakterien zur Beseitigung von Schadstoffen, die aus der Verwendung von chlorierten Lösungsmitteln, beispielsweise für die chemische Reinigung, stammen: «Diese Lösungsmittel sind die Hauptquelle für die Verschmutzung der Böden und des Grundwassers in der Schweiz», sagt Holliger, «aber es ist uns gelungen, hochspezialisierte Bakterien zu isolieren, die diese chlorierten Verbindungen zur Atmung nutzen und in ungiftige organische Substanzen umwandeln. Jetzt analysieren wir den Prozess, um die zugrundeliegenden Mechanismen zu verstehen», sagt Holliger, denn ein wichtiger Schritt im Prozess der Bakterien ist die Produktion von Proteinen.

Nach jahrelangem Leben in einer Umgebung, die chlorhaltige Verbindungen enthält, haben diese Bakterien schliesslich gelernt, diese sinnvoll zu nutzen. Sie sind in der Lage, die Schadstoffe zu «inhalieren», so wie wir Sauerstoff einatmen. In einem mehrstufigen Prozess, der Halorespiration genannt wird, nutzen die Bakterien Verbindungen, die von anderen Bakterien produziert werden. Die Energie stammt aus Wasserstoff, der von anderen Bakterien durch die Fermentation von organischem Material erzeugt wird. All dies geschieht mit Hilfe eines speziellen Proteins in Form eines Enzyms – technisch gesehen einer reduktiven Dehalogenase –, das die Bindung zwischen den Kohlenstoff- und Chloratomen aufbricht und so den Schadstoff zerstört.

Begrenzte Anwendungen, vorläufig

Dieser natürlich vorkommende Prozess lässt sich nicht für die Sanierung jeder Art von Boden nutzen. Zunächst muss der Schadstoff in einer relativ hohen Konzentration vorhanden sein, «sonst tritt er in Konkurrenz zu anderen organischen Verbindungen, die die Bakterien ebenfalls zur Veratmung nutzen können», sagt Holliger. In diesem Fall könnten die Bakterien beschließen, den Schadstoff nicht zu nutzen und stattdessen eine andere Chemikalie im Boden abzubauen.

Ausserdem werden für die Halorespiration mehrere verschiedene Bakterienarten benötigt, die alle in der richtigen Menge vorhanden sein müssen. Es reicht nicht aus, dass Forschende ein Bakterium auswählen, es im Labor kultivieren (oder sogar verbessern) und dann dem Boden hinzufügen. Holliger weist auch darauf hin, dass kontaminierte Böden oft mehrere Schadstoffe enthalten, was die Sache zusätzlich erschwert.

Bewährte Wirksamkeit

Aber unter den richtigen Bedingungen kann diese Art der Bioremediation wirksam sein. Bei diesem Verfahren stören die Wissenschaftlerinnen in der Regel die im Boden oder im Grundwasser enthaltenen Bakterien nicht. Vielmehr versuchen sie, optimale Bedingungen für die Mikroorganismen zu schaffen und dafür zu sorgen, dass sie alle Stoffe haben, die sie zum Gedeihen brauchen. «An einem mit Kohlenwasserstoffen kontaminierten Standort enthält der Boden zum Beispiel natürlich viel Kohlenstoff», sagt Holliger, «deshalb müssen wir ihn mit anderen Chemikalien wie Stickstoff und Phosphor anreichern, damit sich die Bakterien entwickeln können.»

Die Bioremediation mag ihre Grenzen haben, aber sie wird bereits in grossem Umfang eingesetzt, um ausgelaufene Kohlenwasserstoffe und verseuchte Grundwasser zu sanieren (allerdings noch nicht in der Schweiz). Einige der Vorfälle sind berühmt – wie die Exxon Valdez Ölkatastrophe in Alaska –, andere sind weniger bekannt und werden von spezialisierten Firmen betreut.