Darmbakterien heilen den Dickdarm

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der EPFL haben herausgefunden, wie ein Darmbakterium, Clostridium scindens, die Heilung von Darmverletzungen unterstützt, indem es das Gleichgewicht der Gallensäuren wiederherstellt. Ihre Erkenntnisse könnten den Weg für neue Behandlungsmethoden für Colitis ulcerosa, eine chronisch entzündliche Darmerkrankung, ebnen.
3D-Darstellung von Clostridium scindens im Darm. Kredit: K. Schoonjans (EPFL)

Der menschliche Darm beherbergt Billionen von Bakterien, die eine wichtige Rolle bei der Verdauung, der Immunität und der allgemeinen Gesundheit spielen. Wenn dieses mikrobielle Gleichgewicht gestört ist, kann dies zur Entwicklung chronischer Krankheiten wie Colitis ulcerosa (UC), einer entzündlichen Erkrankung des Dickdarms, beitragen. Für einige Patienten bieten die derzeitigen Behandlungen nur begrenzte Linderung oder bergen erhebliche Risiken, einschliesslich der Unterdrückung des Immunsystems. Forschende erforschen nun alternative Wege zur Wiederherstellung der Darmgesundheit und konzentrieren sich dabei auf die Fähigkeit des Mikrobioms, die Darmschleimhaut zu heilen.

Eines der Kennzeichen von UC ist ein Mangel an bestimmten Gallensäuren, Molekülen, die bei der Verdauung von Fetten und der Regulierung der Darmgesundheit helfen. Diese Moleküle werden nicht nur von der Leber produziert, sondern von den Darmbakterien in Formen weiterverarbeitet, die die Heilung des Darms unterstützen. UC-Patienten weisen häufig niedrigere Werte dieser mikrobiellen Gallensäuren auf, was darauf hindeutet, dass ihre Wiederherstellung die Heilung fördern könnte.

Die Forschungsteams unter der Leitung von Kristina Schoonjans und Rizlan Bernier-Latmani an der EPFL haben Clostridium scindens, ein Bakterium, das primäre Gallensäuren in 7α-dehydroxylierte Gallensäuren umwandelt, als Schlüsselakteur bei der Darmheilung identifiziert. Ihre Studie zeigt, dass die Ergänzung des Darms mit diesem Bakterium die Genesung nach Darmverletzungen verbessern könnte, was eine neue potenzielle Therapie für UC und verwandte Erkrankungen darstellt.

Die Forschenden testeten ihre Hypothese an Mäusen mit Kolitis, einem Krankheitsmodell, das UC nachahmt. Sie führten einigen Mäusen Clostridium scindens zu, während sie andere unbehandelt ließen. Das Team überwachte dann die Genesung der Tiere durch Messung des Gewichtsverlusts, der Dickdarmentzündung und der Marker für die Darmheilung.

«Unsere Ergebnisse unterstreichen das Potenzial von Strategien, die auf das Mikrobiom abzielen, um den Gallensäurestoffwechsel zu modulieren und die Darmheilung zu fördern.»      Antoine Jalil, Erstautor der Studie

Mäuse, die Clostridium scindens erhielten, erholten sich schneller, zeigten eine geringere Entzündung und eine verbesserte Regeneration der Darmschleimhaut. Die Forschenden fanden heraus, dass diese Wirkungen von TGR5 abhängen, einem Rezeptor, der auf 7α-dehydroxylierte Gallensäuren reagiert, die die Proliferation und Differenzierung von Darmstammzellen anregen. Als sie die Therapie an Mäusen testeten, denen dieser Rezeptor fehlte, verschwanden die Vorteile, was bestätigt, dass der Gallensäurestoffwechsel für die Heilung unerlässlich ist.

Um ihre Ergebnisse weiter zu validieren, analysierten sie Patientendaten, um festzustellen, ob ähnliche Mechanismen auch beim Menschen im Spiel sind. Sie fanden heraus, dass bei UC-Patienten die geringeren Mengen an 7α-dehydroxylierten Gallensäuren stark mit einer gestörten Erneuerung der Darmzellen korrelierten. Dies unterstreicht den Zusammenhang zwischen dem Gallensäurestoffwechsel und der Darmheilung: «Unsere Ergebnisse unterstreichen das Potenzial von Strategien, die auf das Mikrobiom abzielen, um den Gallensäurestoffwechsel zu modulieren und die Darmheilung zu fördern», sagt Antoine Jalil, der Erstautor der Studie.

Im Gegensatz zu herkömmlichen Behandlungen, die sich auf die Unterdrückung von Entzündungen konzentrieren, zielt dieser Ansatz auf das eigentliche Problem ab: die gestörte Fähigkeit des Darms, sich selbst zu heilen. Durch die Wiederherstellung des natürlichen Gallensäuregleichgewichts durch nützliche Bakterien könnte diese Strategie eine alternative und nachhaltigere Behandlungsmöglichkeit für UC-Patienten darstellen. Zwar sind weitere Forschungsarbeiten erforderlich, um die klinischen Anwendungen zu erforschen, doch unterstreichen die Ergebnisse das therapeutische Potenzial mikrobiombasierter Interventionen.

Weitere Informationen

Weitere Mitwirkende

  • Universität Bern
  • Universität Lausanne

Finanzierung

  • Schweizerischer Nationalfonds (SNF)
  • EPFL

Referenzen

Antoine Jalil, Alessia Perino, Yuan Dong, Jéromine Imbach, Colin Volet, Eduard Vico-Oton, Hadrien Demagny, Lucie Plantade, Hector Gallart-Ayala, Julijana Ivanisevic, Rizlan Bernier-Latmani, Siegfried Hapfelmeier, Kristina Schoonjans (2025), Bile acid 7α-dehydroxylating bacteria accelerate injury-induced mucosal healing in the colon, EMBO Molecular Medicine 10 March 2025