Auswirkungen von Pilzen auf Korallen positiv, aber weitgehend unbekannt
Tropische Korallenriffe sind ein entscheidendes Element für die Vielfalt der marinen Ökosysteme. Sie tragen dazu bei, die Küstenerosion zu verhindern, und beherbergen zahlreiche Mikroorganismen, deren komplexe Interaktionen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler seit Jahrzehnten faszinieren.
Als erstes wurde die symbiotische Beziehung zwischen Korallen und Algen erforscht, da die winzigen Algen mit dem Mikroskop leicht zu beobachten sind: «Die Produkte der Photosynthese der Algen liefern den Korallen einen Grossteil des Zuckers, den sie für ihr Wachstum benötigen, und fördern so die Bildung von Korallenriffen», sagt die Meeresbiologin Claudia Pogoreutz, die als Postdoc am Labor für biologische Geochemie der EPFL School of Architecture, Civil and Environmental Engineering (ENAC) forschte. «Aber andere Arten von Mikroorganismen – wie Bakterien, Viren und Pilze – sind möglicherweise ebenso wichtig und könnten ebenfalls eine bedeutende Rolle für die Gesundheit und Widerstandsfähigkeit von Korallenriffen spielen», so Pogoreutz, die sich in ihrer Arbeit auf Meerespilze konzentriert, deren funktionelle Eigenschaften noch immer kaum bekannt sind. Eine von ihr kürzlich in FEMS Microbiology Reviews veröffentlichte Arbeit ist eine der ersten, die eine Synthese ihres beträchtlichen Potenzials liefert und mit dem Best Article Award der Zeitschrift 2022 ausgezeichnet wurde.
Terrestrische Pilze als Modell
Lange Zeit haben Forschende die Meerespilze übersehen, da es schwierig ist, ihre Gemeinschaften zu charakterisieren und einzelne Arten zu isolieren. Doch dank bahnbrechender Fortschritte bei der Sequenzierung und anderen Analysemethoden machen die Forschenden ständig Fortschritte, um diese Mikroorganismen viel genauer zu untersuchen. Bislang konzentrierte sich ein Grossteil dieser Arbeiten auf die Rolle von Pilzen bei Meereskrankheiten. Die Arbeit von Pogoreutz geht jedoch davon aus, dass die Beziehungen zwischen Pilzen und Korallen vielfältig sind, über die Krankheitsentwicklung hinausgehen und überraschend komplex sein können.
Pogoreutz hat einen Grossteil ihrer Forschungshypothesen von den biologischen Prozessen abgeleitet, die bei terrestrischen Pilzen untersucht werden und die in der wissenschaftlichen Literatur viel mehr Beachtung finden. So infizieren viele Landpilze tote und absterbende Bäume und andere Pflanzen, wobei sie dank eines vielfältigen Repertoires an verschiedenen Enzymen Holz und andere Substanzen verdauen. In ähnlicher Weise wurden Pilze im Meer beobachtet, die gestresste Korallen infizieren. Wichtig ist jedoch, dass Bäume und die meisten anderen Pflanzen auch nützliche Pilzarten beherbergen können, die dem Wirtsbaum helfen, Nährstoffe aus der Umwelt zu gewinnen.
Meerespilze, wie diese, die aus dem Ircinia variabilis-Schwamm gewonnen wurden, sind sehr unterschiedlich in ihrem Aussehen.© Z.Paz
Obwohl bisher noch keine positive Rolle von Pilzen mit ihren Wirten im Korallenriff dokumentiert wurde, könnte es durchaus symbiotische Pilze geben, die für die Gesundheit der Korallen wichtig sind. Einige Arten von Meerespilzen könnten die Gesundheit der Korallen unterstützen, indem sie antimikrobielle Verbindungen zur Abwehr von Krankheitserregern produzieren. Ausserdem könnten sie eine Schlüsselrolle beim Austausch und Recycling von Nährstoffen mit Korallen und Algen spielen: «Wir glauben zum Beispiel, dass einige Meerespilze tote Bakterien oder andere Zellen in der Koralle zersetzen und in Nährstoffe für die Koralle und die Algen umwandeln können», sagt Pogoreutz.
Pharmazeutische und industrielle Anwendungen
Die rasche globale Erwärmung destabilisiert die Korallenriffe jeden Tag mehr und mehr. Deshalb ist die Erforschung der positiven Eigenschaften von Meeresmikroben, einschliesslich Pilzen, so wichtig, denn sie eröffnet neue Perspektiven für die Wiederherstellung der Gesundheit gestresster Korallen. Diese Forschung könnte auch zur Entwicklung neuer Medikamente oder zu industriellen Anwendungen führen, so wie die Forschung an Bakterien zur Herstellung von Probiotika geführt hat.
Die EPFL erforscht die Korallenriffe und ihre symbiotischen Beziehungen zu Mikroorganismen am LGB, das mit einer Sekundärionen-Massenspektrometrie-Ionensonde im Nanobereich (NanoSIMS) ausgestattet ist: «Mit diesem hochmodernen Instrument können wir die symbiotischen Beziehungen mit einer noch nie dagewesenen Auflösung beobachten, da wir tatsächlich einzelne Zellen und subzelluläre Strukturen identifizieren können», sagt Nils Rädecker, Wissenschaftler am LGB. Dank des NanoSIMS werden Rädecker und seine Kolleginnen und Kollegen in der Lage sein, noch weiter zu gehen, um die möglichen unzähligen Interaktionen innerhalb komplexer mariner Tier-Mikroben-Symbiosen zu entdecken.