ETH-Team gewinnt eine Viertelmillion bei Artenvielfalt-Wettbewerb in Brasilien

Die Organisation XPRIZE hat ein Team unter der Leitung der ETH Zürich für die Entwicklung und den Einsatz neuartiger autonomer Technologien ausgezeichnet. Diese ermöglichen es, die Artenvielfalt eines Tropenwaldes fast in Echtzeit zu erfassen.
(Bild: Luca Desiderato und Veronica Condello / ETH BiodivX)

In Kürze

  • Das Team ETH BiodivX hat beim XPRIZE Rainforest Wettbewerb 250'000 US-Dollars gewonnen.
  • Beim Wettbewerb ging es darum, neuartige Technologien für ein besseres Monitoring der Artenvielfalt tropischer Regenwälder zu entwickeln.
  • Entscheidend für den Erfolg des ETH-Teams waren eine neue Drohnentechnologie, ein Rucksacklabor und KI.
  • Die Ehrung würdigt zudem, wie das Team indigene Völker und lokale Gemeinschaften als Hüter der tropischen Regenwälder gestärkt hat.

Im Herzen des Regenwaldes bilden das Summen der Insekten, die Rufe der tropischen Vögel und das Rascheln der Blätter ein natürliches Orchester. Jedes Blatt, jeder Wassertropfen, jede Tier- und Pflanzenart ist hier Teil eines empfindlichen Gleichgewichts der biologischen Vielfalt, deren unverzichtbare Bedeutung für die Welt wir gerade erst zu verstehen beginnen.

Um die Tropenwälder zu schützen, muss die Forschung diese komplexen Ökosysteme besser verstehen. Das ETH-Team BiodivX hat sich dieser Herausforderung gestellt und als eines von 300 Teams am fünfjährigen globalen Wettbewerb XPRIZE Rainforest teilgenommen. Ziel war es, neue Technologien zu entwickeln, welche die Echtzeit-Überwachung der tropischen Biodiversität vorantreiben. Wie im Vorfeld des G20-Gipfels in Rio de Janeiro bekannt gegeben wurde, hat XPRIZE dem Team ETH BiodivX den mit 250’000 US-Dollars dotierten Bonus-Preis verliehen. Das Preisgeld wird zumindest teilweise für die Entwicklung von Technologien zur Überwachung der Biodiversität und zur Unterstützung lokaler Gemeinschaften verwendet.

Drohnen erfassen Biodiversität

Die ETH-Professorinnen und Professoren Stefano Mintchev und Kristy Deiner haben das Team ETH BiodivX in der Frühphase der Pandemie gegründet. Sie vereinten ihr Fachwissen in den Bereichen Robotik und Umwelt-DNA (engl. eDNA, von environmental DNA) und konzipierten eine Methode, um den gesamten Ablauf für die Überwachung der biologischen Vielfalt zu automatisieren und menschliche Eingriffe in geschützte Ökosysteme auf ein Minimum zu reduzieren. In den letzten drei Jahren hat das Team zusammen mit dem Zoo Zürich wöchentliche Tests im Masoala Regenwald des Zoos durchgeführt, um die Fernerkundung und die Probenahme mithilfe von Drohnen zu optimieren.

Als eines von sechs Teams, die sich für das Finale qualifiziert hatten, vereinfachte und skalierte ETH BiodivX eine Reihe robuster und zuverlässiger Technologien: satelliten- und drohnengestützte Fernerkundung, von einer Drohne abgeworfene Sonden zur Sammlung von eDNA-Oberflächen- und Wasserproben, von Drohnen abgeworfene Rafts mit Licht- und Klebefallen für das Blätterdach, eine Kamera zur Aufnahme von Insekten und der umgebenden Baumkronen und schliesslich Audiosensoren zur Erfassung bioakustischer Daten.


XPRIZE Rainforest competition

XPRIZE konzipiert und veranstaltet weltweit Wettbewerbe zur Lösung der grössten Herausforderungen der Menschheit. Diese Wettbewerbe sollen Innovationen und wissenschaftlich skalierbare Lösungen fördern, die eine gerechtere und bessere Zukunft vorantreiben. XPRIZE Rainforest ist ein globaler Fünfjahres-Wettbewerb mit einem Preisgeld von insgesamt 10 Millionen Dollar. Er bringt Innovatorinnen und Experten aus verschiedenen Disziplinen zusammen, von Naturschützerinnen und indigenen Wissenschaftler bis hin zu Ingenieurinnen und Robotiker. Das Ziel ist, neuartige Technologien einzusetzen, um die Überwachung der tropischen Artenvielfalt zu verbessern.

Rückblickend auf das Finale des Wettbewerbs, das im Juli 2024 in der Nähe von Manaus in Brasilien stattfand, sagte Stefano Mintchev: «Wir hatten die Gelegenheit, zusammenzukommen und am Finale teilzunehmen. In nur 24 Stunden mussten wir eine Fläche von 100 Hektar im Amazonasgebiet untersuchen und eDNA sammeln - zusammen haben wir wirklich gute Arbeit geleistet.»

In dieser Zeit führte das Team insgesamt 54 Flüge mit vier Drohnen durch, um die Rafts in den Baumkronen auszusetzen und wieder einzusammeln, eDNA-Proben von Ästen, Blättern und Wasser zu nehmen und Flüge zur Fernerkundung durchzuführen. Es blieben nur 48 Stunden, um die gesammelte eDNA zu analysieren und zu identifizieren, und das Team arbeitete fieberhaft daran, so viel wie möglich über die Biodiversität des Ökosystems herauszufinden.

Rucksacklabor für schnelle DNA-Analyse

«Für komplexe gesellschaftliche Herausforderungen braucht es ein transdisziplinäres Team», sagt Kristy Deiner Bei DNA-Analysen kann es Tage oder gar Monate dauern, bis ein Ergebnis vorliegt, doch eines der Ziele des XPRIZE Rainforest Wettbewerbs war es, Erkenntnisse über die Biodiversität fast in Echtzeit zu gewinnen. Um dieses Kunststück zu vollbringen, entwickelte Deiner gemeinsam mit ETH-Professor Loïc Pellissier ein tragbares praxistaugliches Rucksacklabor und ein Analyseprotokoll, mit denen sich die Zeit von der Probenahme bis zum Ergebnis erheblich verkürzte – von üblichen 100 auf lediglich 17 Stunden. Das Team konzipierte zudem ein Barcoding-System und nutzte die PCR-Schnelltesttechnologie, die während der Corona-Pandemie weiterentwickelt wurde.

ETH BiodivX fand im Amazonas-Regenwald eine üppige Vielfalt an Lebewesen. Innerhalb der 24 Stunden, die das Team zum Einsammeln der eDNA Zeit hatte, nahm es 740 Abstriche von Pflanzen und filterte 42 Liter Wasser. Anhand dieser Proben bestimmten die Forschenden über 240 Arten, und viele weitere liessen sich mit keiner Methode einem wissenschaftlichen Namen zuordnen. Zu den Ergebnissen des Teams gehören die ersten bekannten Drohnenaufnahmen der seltenen Pompadourkotinga (Xipholena punicea). Deiner erklärt: «Die Proben enthielten Millionen von DNA-Sequenzen, aber das Team konnte nur einen kleinen Teil davon bestimmen. Der Rest blieb ungeklärt, und einige sind wohl in der Wissenschaft gar nicht bekannt.»

Der Sammelprozess wurde durch Robotertechnologie automatisiert, und die Analyse der aus Satellitendaten gewonnenen Bilder und Tausenden von Geräuschen wurde durch KI und maschinelles Lernen beschleunigt, die von David Dao, Senior Researcher an der ETH Zürich, implementiert wurden. Er unterstützte das Team auch bei der Erstellung interaktiver Dashboards, um die Biodiversitätsdaten zugänglich zu machen.

Globales Dorf verwirklicht Traum

Dao, Mitbegründer der gemeinnützigen Organisation Gain Forest, hatte ursprünglich selbst am XPRIZE-Wettbewerb teilgenommen. Doch vor dem Halbfinale, das 2023 in Singapur stattfand, brachte Dao sein Team mit dem von Deiner und Mintchev zu ETH BiodivX zusammen. Er unterstützte die Arbeit des Teams mit indigenen Völkern und lokalen Gemeinschaften im Amazonasgebiet. Er ermutigte die Indigene Marina Mura aus São Sebastião do Uatumã, ihre Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit dem Team festzuhalten. Mura schreibt: «Über Generationen hinweg haben wir vor allem gelernt, den Wald zu hören und zu fühlen. Der Gedanke, dies auf einen Computer zu übertragen und jedes Geräusch, das die Natur hervorbringt, identifizieren zu können, war für mich die Erfüllung eines Traums».

Mithilfe von KI-Chatbots digitalisierte Dao das Wissen und den Erfahrungsschatz der Indigenen über den Wald und die Eigenschaften von Heilpflanzen. Ausserdem schuf er mit dem Aufbau einer ökowirtschaftlichen Zahlungsplattform die Grundlagen dafür, Anreize zum Schutz der Natur zu bieten. Indigene und lokale Gemeinschaften im Amazonasgebiet wurden zu leitenden Mitgliedern des ETH BiodivX Teams. Dieses bestand aus 51 Fachleuten aus Wissenschaft, Wirtschaft, Journalismus und Kunst. 14 Länder und Institutionen waren im Team vertreten. Dazu gehörten unter anderem die ETH-Professor:innen Stefano Mintchev, Kristy Deiner, Loïc Pellissier und Tom Crowther, die drei ETH-Spin-offs Restor, Diaxxo und SimplexDNA.

Das XPRIZE-Regenwald-Erlebnis: Die Musik übersetzt Klänge von DNA, die während des Wettbewerbs extrahiert wurde. (Filmmaterial: Luca Desiderato und Veronica Condello / ETH BiodivX, Ton: Andrea Desiderato, Produktion: Michel Büchel / ETH Zürich)