EPFL-Labor digitalisiert 1'000 m2 grossen «Schweizer Nationalschatz»
Das Gemälde, das den Moment darstellt, in dem die Eidgenossen während der Invasion des Herzogtums Burgund im Jahr 1476 die Oberhand gewannen, wurde noch nie dauerhaft der Öffentlichkeit präsentiert. Nach einer kurzen Ausstellung in Zürich und Genf im späten 19. Jahrhundert und an der Schweizerischen Landesausstellung 2002 (Expo.02) hat das beeindruckende Werk die letzten 20 Jahre in einem Militärlager verbracht. Das soll sich nun ändern.
Dank einer Zusammenarbeit zwischen der EPFL und der Stiftung für das Panorama der Schlacht bei Murten wird das Gemälde von Kenderdine und ihrem Labor für experimentelle Museologie (eM+) des College of Humanities digitalisiert.
Vor der Digitalisierung analysieren die Forschenden das Panorama derzeit im Hinblick auf seine Erhaltung. Für beide Arbeiten wird eine grosse mechanische Plattform benötigt, auf der die Restauratorinnen und Restauratoren über dem Gemälde arbeiten können, sowie eine Kameraausrüstung, mit der etwa 400’000 Bilder von der Oberfläche des Gemäldes aufgenommen werden können.
Ein digitaler 1.600-Gigapixel-Zwilling
Für die Bildgebung wird eine iXH 150-Megapixel-Kamera mit einem 120-mm-Objektiv verwendet. Diese wurde speziell für hochauflösende Digitalisierungsprojekte entwickelt und vom Kamerasystemhersteller Phase One bereitgestellt. Der Prozess wird voraussichtlich vier Monate dauern und dank der multispektralen Bildgebung Aufnahmen innerhalb des RGB-Farbspektrums (rot, grün und blau) und darüber hinaus aufnehmen.
«Soweit bisher bekannt ist, wird dieses Werk mit 1’600 Gigapixeln das grösste nahtlose Einzelbild sein, das jemals erstellt wurde. Das sind 1,6 Billionen Pixel, also Bildelemente», erklärte Kenderdine. «Die Postproduktion sowie die datenwissenschaftlichen Aspekte der Bearbeitung eines derart riesigen Bildes für verschiedene Akteurinnen und Akteure sind für die Forschungsergebnisse von entscheidender Bedeutung.»
Der Bildherstellungsprozess ist mit einer Reihe von Herausforderungen verbunden, wie z.B. der Erfassung eines einwandfreien 2D-Bildes trotz Unregelmässigkeiten auf der Leinwandoberfläche. Die ursprüngliche Leinwand hat zudem eine hyperbolische Form, da sie dafür gedacht war, in einem Kreis oder einer Rotunde ausgestellt zu werden. Das Gemälde muss daher sorgfältig auf ein Substrat «aufgespult» werden, um eine reibungslose Bildaufnahme zu gewährleisten.
Letztendlich sollen aus der Bildherstellung eine Reihe von Initiativen zur Datenwissenschaft und -aufwertung sowie ein interaktives 360-Grad-Erlebnis für die Öffentlichkeit entstehen. Für die Ausstellung des Panoramas planen die Projektpartner weitere Spendenaktionen. Ziel ist es, den digitalen Zwilling des Gemäldes rechtzeitig zum 550. Jahrestag der Schlacht im Jahr 2026 zu erstellen und Brauns einzigartiges Werk für alle zugänglich zu machen.
«Das Murtenpanorama ist ein nationales Kulturgut, und unser Projekt eröffnet uns einen neuen Zugang zur Schweizer Geschichte und Kultur», erklärte Daniel Jaquet, Militärhistoriker und Mitglied des Stiftungsrats. «Es enthält nicht nur sehr detaillierte Darstellungen einer Schlacht, sondern auch äusserst reichhaltige soziokulturelle Aspekte aus der Sicht der Weltanschauung des späten 19. Jahrhunderts. Die Digitalisierung befreit uns aus der Enge des traditionellen militärhistorischen Ansatzes.»