EPFL-Labor digitalisiert 1'000 m2 grossen «Schweizer Nationalschatz»

Sarah Kenderdine, Leiterin des Labors für experimentelle Museologie, leitet die Digitalisierung und Aufbereitung des Panoramas der Schlacht von Murten – ein 100 x 10 Meter grosses Werk, das 1893 vom deutschen Panoramamaler Louis Braun geschaffen wurde. Aus dem Vorhaben soll eines der grössten jemals produzierten digitalen Bilder entstehen.
Nahaufnahme der Panorama-Rolle © Panorama-Stiftung der Schlacht von Murten

Das Gemälde, das den Moment darstellt, in dem die Eidgenossen während der Invasion des Herzogtums Burgund im Jahr 1476 die Oberhand gewannen, wurde noch nie dauerhaft der Öffentlichkeit präsentiert. Nach einer kurzen Ausstellung in Zürich und Genf im späten 19. Jahrhundert und an der Schweizerischen Landesausstellung 2002 (Expo.02) hat das beeindruckende Werk die letzten 20 Jahre in einem Militärlager verbracht. Das soll sich nun ändern.

Dank einer Zusammenarbeit zwischen der EPFL und der Stiftung für das Panorama der Schlacht bei Murten wird das Gemälde von Kenderdine und ihrem Labor für experimentelle Museologie (eM+) des College of Humanities digitalisiert.

Vor der Digitalisierung analysieren die Forschenden das Panorama derzeit im Hinblick auf seine Erhaltung. Für beide Arbeiten wird eine grosse mechanische Plattform benötigt, auf der die Restauratorinnen und Restauratoren über dem Gemälde arbeiten können, sowie eine Kameraausrüstung, mit der etwa 400’000 Bilder von der Oberfläche des Gemäldes aufgenommen werden können.

Ein digitaler 1.600-Gigapixel-Zwilling

Für die Bildgebung wird eine iXH 150-Megapixel-Kamera mit einem 120-mm-Objektiv verwendet. Diese wurde speziell für hochauflösende Digitalisierungsprojekte entwickelt und vom Kamerasystemhersteller Phase One bereitgestellt. Der Prozess wird voraussichtlich vier Monate dauern und dank der multispektralen Bildgebung Aufnahmen innerhalb des RGB-Farbspektrums (rot, grün und blau) und darüber hinaus aufnehmen.

«Soweit bisher bekannt ist, wird dieses Werk mit 1’600 Gigapixeln das grösste nahtlose Einzelbild sein, das jemals erstellt wurde. Das sind 1,6 Billionen Pixel, also Bildelemente», erklärte Kenderdine. «Die Postproduktion sowie die datenwissenschaftlichen Aspekte der Bearbeitung eines derart riesigen Bildes für verschiedene Akteurinnen und Akteure sind für die Forschungsergebnisse von entscheidender Bedeutung.»

Der Bildherstellungsprozess ist mit einer Reihe von Herausforderungen verbunden, wie z.B. der Erfassung eines einwandfreien 2D-Bildes trotz Unregelmässigkeiten auf der Leinwandoberfläche. Die ursprüngliche Leinwand hat zudem eine hyperbolische Form, da sie dafür gedacht war, in einem Kreis oder einer Rotunde ausgestellt zu werden. Das Gemälde muss daher sorgfältig auf ein Substrat «aufgespult» werden, um eine reibungslose Bildaufnahme zu gewährleisten.

Letztendlich sollen aus der Bildherstellung eine Reihe von Initiativen zur Datenwissenschaft und -aufwertung sowie ein interaktives 360-Grad-Erlebnis für die Öffentlichkeit entstehen. Für die Ausstellung des Panoramas planen die Projektpartner weitere Spendenaktionen. Ziel ist es, den digitalen Zwilling des Gemäldes rechtzeitig zum 550. Jahrestag der Schlacht im Jahr 2026 zu erstellen und Brauns einzigartiges Werk für alle zugänglich zu machen.

«Das Murtenpanorama ist ein nationales Kulturgut, und unser Projekt eröffnet uns einen neuen Zugang zur Schweizer Geschichte und Kultur», erklärte Daniel Jaquet, Militärhistoriker und Mitglied des Stiftungsrats. «Es enthält nicht nur sehr detaillierte Darstellungen einer Schlacht, sondern auch äusserst reichhaltige soziokulturelle Aspekte aus der Sicht der Weltanschauung des späten 19. Jahrhunderts. Die Digitalisierung befreit uns aus der Enge des traditionellen militärhistorischen Ansatzes.»

Weitere Informationen

Links

eM+
Phase One
Stiftung für das Panorama der Schlacht bei Murten

Finanzierung

Das Projekt «Digitales Murtenpanorama» ist eine Zusammenarbeit zwischen der Stiftung für das Panorama der Schlacht von Murten und dem Labor für experimentelle Museologie der Ecole Polytechnique Fédérale de Lausanne. Ermöglicht wird das Projekt durch die grosszügige Unterstützung der Loterie Romande, der Gemeinde Murten, des Kantons Freiburg, des Bundesamtes für Kultur, des Vereins der Freunde des Panoramas Murten 1476 und Phase One.