Biotests bewerten Ozonung und Nachbehandlung von Abwasser
Über das Abwasser werden Flüsse und Seen mit zahlreichen Mikroverunreinigungen belastet, die unter anderem aus Pflegeprodukten und Arzneimitteln stammen. Das Gewässerschutzgesetz strebt daher den Ausbau der Schweizer Abwasserreinigungsanlagen (ARA) um eine zusätzliche Reinigungsstufe an. In Pilotversuchen haben sich besonders zwei Verfahren zur Entfernung der Spurenstoffe bewährt: Die Ozonung und die Behandlung mit Aktivkohle. Bei der Behandlung mit Ozon können jedoch unerwünschte instabile Reaktionsprodukte entstehen, die möglicherweise toxisch sind. Um diese Stoffe wieder aus dem Abwasser zu entfernen, ist eine Nachbehandlung mit biologischer Aktivität nötig, wozu verschiedene Verfahren eingesetzt werden können. Um die Effizienz der verschiedenen Verfahren zu beurteilen, haben das Oekotoxzentrum und die Eawag verglichen, wie gut die Ozonung in Kombination mit den Nachbehandlungsverfahren ökotoxikologische Effekte verringern kann. Dazu haben sie Biotests eingesetzt, die die Wirkung komplexer Stoffgemische gesamthaft erfassen. Finanziert wurde das Projekt vom Bundesamt für Umwelt und der EU innerhalb von FP7 (Projekt DEMEAU).
Umfangreiche Biotests
Als Biotestorganismen setzten die Forschenden einerseits Zellkulturen oder ein- und mehrzellige Organismen wie Bakterien, Algen oder Wasserflöhe im Labor ein. Andererseits untersuchten sie Regenbogenforellen und Glanzwürmer in Durchflusssystemen direkt auf der ARA. «Im Test mit frühen Lebensstadien von Forellen haben wir neben der Sterblichkeit auch allgemeine Entwicklungsparameter wie Schlupf, Aufschwimmen und Länge, aber auch Gewebeveränderungen und die Expression von schadstoffsensitiven Genen als Biomarker untersucht», erklärt Cornelia Kienle vom Oekotoxzentrum.
Durchgeführt wurden die Versuche auf der ARA Neugut in Dübendorf, die 2014 als erste Schweizer ARA mit einer grosstechnischen Ozonung ausgerüstet worden war. Als mögliche Alternative zum auf der ARA Neugut bestehenden Sandfilter als biologische Nachbehandlung untersuchten die Forschenden einen Wirbelbett- und einen Festbettreaktor, in denen wie beim Sandfilter Bakterien in Biofilmen Stoffe biologisch umsetzen. Ausserdem wurden Filter mit granulierter Aktivkohle (GAK) betrachtet, und zwar sowohl mit relativ frischer, nur wenig beladener, GAK als auch mit GAK, welche schon länger in Betrieb und daher mit organischen Stoffen beladen war. In GAK-Filtern werden organische Mikroverunreinigungen einerseits an die Kohle adsorbiert und andererseits durch den Biofilm auf der GAK abgebaut. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verglichen die Wirkung des Abwassers auf die Zellkulturen und Biotest-Organismen jeweils nach der biologischen Reinigung, nach der Ozonung und nach den verschiedenen Nachbehandlungen.
Dieses Video zeigt den Versuchsaufbau
Positive Effekte der Ozonung bestätigt
Die Testverfahren im Labor zeigten, dass die Ozonung effizient die Toxizität des Abwassers reduzierte, im Vergleich zum Abwasser, das nur biologisch gereinigt worden war. Die toxische Wirkung auf Leuchtbakterien wurde um 66 Prozent verringert im Vergleich zur biologischen Reinigung. Die Fotosynthesehemmung im Grünalgentest verminderte sich ebenfalls um 80 Prozent und die Wachstumshemmung um 75 Prozent. Auch bestimmte hormonaktive Wirkungen wurden durch die Ozonung verringert oder eliminiert. Das Überleben von Wasserflöhen wurde durch keine der untersuchten Abwasserproben signifikant beeinträchtigt. Darüber hinaus zeigten Testverfahren, die im Durchfluss auf der ARA durchgeführt wurden, dass die Abwässer auch keine Effekte auf Überleben und Fortpflanzung von Glanzwürmern hatten. Auch die Entwicklung und das Überleben von frühen Lebensstadien von Regenbogenforellen zeigten keine Unterschiede zwischen Abwasser nach Ozonung und nur biologisch gereinigtem Abwasser.
Weitere Reduktion durch GAK-Filter
Die Resttoxizität des Abwassers nach Ozonung war sehr gering, das heisst die Behandlung mit Ozon bewirkte bereits eine signifikante Verbesserung. Nur vereinzelt wurde zum Beispiel eine geringe mutagene Wirkung nachgewiesen. Diese negativen Effekte konnten durch die verschiedenen Nachbehandlungsverfahren weiter verringert oder eliminiert werden. Nach dem frischen GAK-Filter verringerten sich die Effekte im Fotosynthese-Hemmtest um weitere 66 Prozent. Dies ist vermutlich auf eine zusätzliche Entfernung von Mikroverunreinigungen durch den GAK-Filter zurückzuführen. Auch der beladene GAK-Filter brachte eine leichte Verbesserung. Insgesamt machte die geringe Resttoxizität nach der Ozonung es jedoch schwierig, zusätzliche Effekte der Nachbehandlungen in den Biotests zu bewerten. Die Ergebnisse für die Nachbehandlungen Sandfilter, Wirbelbett und Festbett waren nicht konsistent und erlauben keine Aussage.
Neue empfindliche Methoden
Eine Gewebeanalyse der Regenbogenforellen, die an der Universität Tübingen durchgeführt wurde, zeigte, dass nach der Ozonung der Gewebezustand der Forellenleber immer noch schlechter als bei unbelasteten Kontrolltieren war. Die Behandlung mit frischer GAK führte zu einem besseren Gewebezustand, während die anderen Nachbehandlungen nicht zu nachweisbaren Verbesserung führten. In den Forellen untersuchte Umwelttoxikologe Stephan Fischer von der Eawag auch Biomarker auf Genexpressionsebene. Diese zeigen an, ob und in welchem Mass die Organismen auf verschiedene Schadstoffgruppen reagieren. Die untersuchten Biomarker sind an Reaktionen wie der allgemeinen Stressantwort, oxidativem Stress, Umwandlung von Fremdstoffen, Regulierung des Immunsystems, hormoneller Wirkung und Reaktionen mit Schwermetallen beteiligt. Die meisten Biomarker waren nach dem biologisch gereinigten Abwasser erhöht. Die Ozonung verringerte dieses Signal. Die verschiedenen Nachbehandlungen erreichten weitere Veränderungen der Biomarkermuster, so dass sie denen der Kontrolltiere ähnlicher wurden, allerdings unterschieden sich diese weniger deutlich voneinander. Am deutlichsten war der positive Effekt nach dem relativ frischen GAK-Filter oder dem Festbett zu erkennen.
Fazit und Umsetzung
Die verwendeten Biotests bestätigten, dass die Ozonung die Schadstoffbelastung des Abwassers und damit ökotoxikologische Effekte auf der ARA Neugut deutlich verringert. Da das Abwasser nach der Ozonung nur noch sehr wenig toxisch war, konnten kaum Unterschiede in der Effizienz der verschiedenen Nachbehandlungen aufgezeigt werden. Wenn man die Ergebnisse der Biotests zusammenfasst, erbrachte einzig der frische GAK-Filter eine deutliche zusätzliche Reinigungsleistung zur Ozonung, die wohl durch eine zusätzliche Entfernung von Mikroverunreinigungen durch Sorption an den Filter zustande kommt. Bei den weiteren Nachbehandlungen konnte mit den meisten verwendeten Methoden keine konsistente Verbesserung nachgewiesen werden. Vereinzelt auftretende mutagene Effekte wurden jedoch durch alle Nachbehandlungsmethoden verringert, was auf ihre Effizienz bei der Entfernung von labilen Reaktionsprodukten hinweist.
Grundsätzlich ist in der Schweiz eine biologische Nachbehandlung nach der Ozonung erforderlich, um den biologisch abbaubaren gelösten organischen Kohlenstoff und potenziell toxische Produkte, die während der Ozonung entstehen, zu verringern. Diese Studie hat gezeigt, dass die Kombination von Ozonung und Aktivkohle (GAK-Filter) die grösste Reduktion von Ozonungsreaktionsprodukten und Ökotoxizität im behandelten Abwasser erzielt. Diese Behandlungskombination hat in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen und wird bereits in der Kläranlage Altenrhein in der Schweiz eingesetzt.