Ein scharfer Blick fürs Unsichtbare

Von smarten Textilien bis hin zu selbstfahrenden Autos: Empa-Forschende entwickeln neuartige Detektoren für Infrarot-Strahlung, die nachhaltiger, flexibler und kostengünstiger sind als bisherige Technologien. Der Schlüssel dazu ist nicht (nur) die Zusammensetzung des Materials, sondern auch seine Grösse.
Punktlandung: IR-Detektoren aus Quantenpunkten auf einer optischen Faser. Grafik: Empa

Was haben Bewegungsmelder, selbstfahrende Autos, chemische Analysegeräte und Satelliten gemeinsam? Sie alle enthalten Detektoren für Infrarot-Strahlung. Diese Detektoren bestehen meistens aus einem kristallinen Halbleitermaterial – dem eigentlichen Detektor, zum Beispiel aus Silicium  – und Elektronik zum Auslesen der Daten. Solche Halbleitermaterialien sind oft aufwändig in der Herstellung, die bei sehr hohen Temperaturen stattfinden muss und viel Energie verbraucht. Empa-Forschende sind überzeugt: Das geht einfacher. Ein Team um Ivan Shorubalko aus dem Labor «Transport at Nanoscale Interfaces» arbeitet an miniaturisierten Infrarot-Detektoren aus kolloidalen Quantenpunkten.

Das Wort «Quantenpunkte» hört sich für die meisten Menschen erst einmal nicht nach einfacher an. Doch Shorubalko erklärt: «Die Eigenschaften eines Materials hängen nicht nur von seiner Zusammensetzung ab, sondern auch von seiner Dimensionierung.» Das heisst: Wenn man aus einem Material kleinste Partikel herstellt, haben sie unter Umständen andere Eigenschaften, als grössere Stücke desselben Materials. Der Grund dafür sind Quanteneffekte, daher auch der Name «Quantenpunkte».

Für die Entdeckung und die Synthese dieser faszinierenden Kleinstpartikel erhielten Moungi Bawendi, Louis E. Brus und Alexey Ekimov 2023 den Nobelpreis in Chemie. Die Wissenschaft hinter Quantenpunkten ist also komplex. Die Einfachheit liegt dagegen in ihrer Verarbeitung. Kolloidale Quantenpunkte liegen in einer Lösung vor und können mittels Rotationsbeschichtung oder Druck auf unterschiedliche Materialien angebracht werden – günstiger, energieeffizienter und flexibler als konventionelle Halbleiter.

Vom Material über den Prozess bis hin zur Anwendung

An der Empa haben Quantenpunkte bereits Tradition. So arbeitet die Forschungsgruppe von Maksym Kovalenko im Labor «Thin Films and Photovoltaics» seit über zehn Jahren an der Synthese von Quantenpunkten aus den unterschiedlichen Materialien. Shorubalko und sein Team stellen aus den Quantenpunkten funktionierende elektronische Komponenten, sogenannte «Devices» her – zum Beispiel Infrarot-Detektoren. Gemeinsam mit weiteren Expertinnen und Experten der Empa erforschen sie zudem Verarbeitungsprozesse und weitere Anwendungen für die vielseitigen Kleinstpartikel.

Ein Beispiel: 2023 gelang es den Empa-Forschenden, einen Infrarot-Detektor aus Quantenpunkten auf eine optische Polymerfaser aufzudrucken – etwas, was mir herkömmlichen Infrarot-Detektoren nicht möglich ist. Dafür arbeiteten Komponenten-Spezialist Shorubalko und sein Doktorand Gökhan Kara nicht nur mit dem Materialexperten Kovalenko, sondern auch mit Yaroslav Romanyuk, einem Experten für Materialdruck aus dem Labor «Thin Films and Photovoltaics» sowie mit dem Faserexperten René Rossi aus dem Labor «Biomimetic Membranes and Textiles». Die Ergebnisse veröffentlichten die Forschenden 2023 in der Fachzeitschrift «Advanced Materials Technologies».

Eine mögliche Anwendung dieser Technologie wären smarte Textilien. «Der weltweite Textilmarkt ist grösser als der Markt für Konsumentenelektronik», so Shorubalko. Von den flexiblen Infrarot-Detektoren könnten insbesondere Spezialtextilien profitieren, beispielsweise Funktionsbekleidung für Feuerwehrleute oder medizinische Textilien für die Patientenüberwachung. Allerdings sieht Shorubalko auch viel Potenzial in der Mode: «Wenn Detektoren und andere elektronische Komponenten klein, günstig und einfach herzustellen sind, können wir auch unsere Alltagskleider damit funktionalisieren.»

Da jeder Detektor aus zahlreichen nur fünf Nanometer grossen Quantenpunkten besteht, sind ausserdem sehr kleine Detektoren möglich. In einem kürzlich veröffentlichten Artikel in der Zeitschrift «ACS Photonics» beschreiben Shorubalko, Kara und ihre Mitforschenden an der Empa und der ETH Zürich einen Infrarot-Detektor, der kleiner ist als die Wellenlänge der Strahlung, die er misst. Das ermöglicht den Forschenden, zusätzliche Eigenschaften des Infrarotlichts zu erfassen, beispielsweise Phase oder Interferenz, was den Detektor noch vielseitiger einsetzbar macht.

Unerreichte Geschwindigkeit

Als nächstes will Shorubalko die Geschwindigkeit des Detektors verbessern. Schnelle Infrarot-Detektoren braucht es zum Beispiel für Lidar, die lichtbasierte Technologie zur Abstandserkennung, die etwa selbstfahrenden Autos bei der Orientierung hilft. «Silizium-basierte Infrarot-Detektoren in Lidars messen Infrarot-Licht mit einer Wellenlänge von rund 905 Nanometern», erklärt der Forscher. Das Problem: Diese Wellenlänge ist für das menschliche Auge zwar unsichtbar, aber bei hoher Leistung dennoch schädlich. Deshalb darf der Laser im Lidar nur schwach strahlen, was wiederum die Reichweite des gesamten Systems einschränkt. Detektoren für ungefährliche Wellenlängen existieren zwar, sind aber zu teuer, um grossflächig zum Einsatz zu kommen. Ein schneller Detektor auf Quantenpunktbasis könnte eine Alternative bieten und leistungsfähige, unschädliche und kostengünstige Lidar-Systeme ermöglichen.

Wann werden quantenpunktbasierte Infrarot-Detektoren also auf den Markt kommen? Anders als bei vielen anderen neuartigen Technologien und Materialien müssen wir uns in diesem Fall nicht weiter gedulden. «Solche Infrarot-Detektoren aus Quantenpunkten sind bereits auf dem Markt erhältlich», sagt Shorubalko. «Ich habe noch nie eine Technologie erlebt, die den Sprung vom Labor in die Praxis so schnell geschafft hat.» Dennoch ist die Arbeit der Forschenden noch lange nicht getan. Nun gilt es die vielversprechende Technologie noch schneller, kostengünstiger, flexibler und nachhaltiger zu machen.