ETH-Forschung bringt Bundesverwaltung voran

Ob mit Prognosen für die Finanzverwaltung oder Trends für den Bevölkerungsschutz: ETH-Forschende unterstützen die Schweizer Verwaltung und liefern dabei immer wieder Impulse für Innovationen.
Forschung und Verwaltung arbeiten zusammen, um neue Technologien in der Katastrophenhilfe zu nutzen – zum Beispiel mit dem vom ETH-Spin-off Tethys Robotics entwickelten Tauchroboter für Such- und Rettungseinsätze. (Bild: Tethys Robotics)

Forschende der ETH Zürich stellen ihr Know-how regelmässig in den Dienst der Schweizer Politik und Verwaltung, um Lösungen für gesellschaftliche Probleme zu entwickeln. Ob in Auftragsstudien, Anhörungen oder in Beratungsgesprächen – die Wissenschaftler:innen liefern Daten, zeigen Trends auf, berechnen Szenarien, erklären Zusammenhänge, oder warnen vor Gefahren. Damit tragen die ETH-Forschenden immer wieder zu Innovationen im öffentlichen Sektor bei, denn der Verwaltung fehlt meist die Zeit, sich eingehender mit neuen Analysemethoden und Technologien zu beschäftigen.

Der Wissenstransfer in die Verwaltung erfolgt aber auch über die Weiterbildungsangebote der ETH. Jedes Jahr nehmen zig Mitarbeitende der Verwaltung an den über 85 Programmen teil. Sie eignen sich Wissen an und informieren sich über neue technologische Entwicklungen – von der künstlichen Intelligenz bis hin zu digitalen Gesundheitstechnologien. Die folgenden vier Beispiele zeigen, wie ETH-Forschende den Bevölkerungsschutz, die Finanzplanung, die Energieversorgung und die Cybersicherheit der Schweiz unterstützen und dadurch Impulse für Neues liefern:

Trends im Bevölkerungsschutz

Ein Stromausfall, der Zusammenbruch des Mobilfunknetzes oder die nächste Pandemie: Der Schutz der Bevölkerung vor solchen oder ähnlichen Notlagen ist in der Schweiz eine Sache der Kantone. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz (BABS) übernimmt auf Bundesebene eine koordinierende und unterstützende Rolle. Zu seinen Aufgaben gehört es, die Strategie des Bevölkerungsschutzes weiterzuentwickeln und dabei neue Gefahren und Chancen zu berücksichtigen. Das Center for Security Studies (CSS) der ETH Zürich unterstützt diesen Prozess nun schon seit 2015. «Mit unseren Trendanalysen helfen wir dem BABS dabei, relevante Entwicklungen frühzeitig zu erkennen», sagt Andrin Hauri vom CSS.

Der Bericht der ETH-Forschenden bietet einen Überblick über zwölf relevante Trends, die den Schweizer Bevölkerungsschutz in den nächsten fünf bis zehn Jahren wesentlich beeinflussen dürften. Neben bekannten Trends wie den dringlicher werdenden Anpassungen an den Klimawandel oder der zunehmenden geopolitischen Polarisierung, beschreiben die Autoren unter anderem zwei technologische Entwicklungen, die die Einsatzmöglichkeiten im Bevölkerungsschutz erweitern.

Zum einen werden unbemannte Roboter den Bevölkerungsschutz in Zukunft noch stärker prägen. Im Rahmen der Initiative «Advanced Robotic Capabilities for Hazardous Environments» (ARCHE) arbeiten Forschung und Verwaltung bereits heute zusammen, um neue Technologien in der Katastrophenhilfe zu nutzen. Die ETH Zürich ist mit ihrem Tauchroboter Tethys, mit dem Roboterhund ANYmal und mit dem unbemannten Bagger Gravis vertreten. Zum anderen bieten Satelliten ganz neue Möglichkeiten in der Beobachtung der Umwelt und in der Früherkennung von Naturgefahren. So zeigten ETH-Forschende erst kürzlich, dass sich mit GPS-Daten extreme Wetterereignisse wie Gewitter mit heftigen Niederschlägen besser vorhersagen lassen.

Prognose der Bundesfinanzen

Wie viel Geld ist in der Bundeskasse? Diese Frage beschäftigt die Eidgenössische Finanzverwaltung (EFV) regelmässig. Sie ist für die Statistik der öffentlichen Haushalte der Schweiz zuständig und erstellt Prognosen über künftige Einnahmen und Ausgaben. Um in Zukunft besser einschätzen zu können, wie sich der Bundeshaushalt über das ganze Jahr hinweg entwickelt, hat die EFV in den letzten zwei Jahren mit Forschenden der Konjunkturforschungsstelle KOF der ETH Zürich zusammengearbeitet. Diese haben ein Prognosemodell erstellt, das die Finanzplanung des Bundes auf eine neue statistische Grundlage stellt. Die Forschenden begleiteten die Mitarbeitenden der Finanzverwaltung auch bei der Einführung des neuen Modells.

Bruttoinlandsprodukt, Arbeitslosigkeit, Inflation, Wechselkurs, Steuereinnahmen und -ausgaben – die Finanzverwaltung erhält laufend Daten zur Schweizer Wirtschaft. Mit dem neuen Modell kann sie auf dieser Basis künftig präzisere und schnellere Hochrechnungen des Bundeshaushalts erstellen. Zudem erleichtert das Modell den Umgang mit Unsicherheiten und die Berechnung unterschiedlicher Budgetszenarien. «Die Kolleginnen und Kollegen der Finanzverwaltung können nun besser analysieren, wie sich einzelne Faktoren wie zum Beispiel ein geringeres Wachstum auf die Einnahmen und Ausgaben auswirken. Damit sieht die Politik schneller, wohin sich die Staatsfinanzen entwickeln und welche Handlungsspielräume sie im Rahmen der Schuldenbremse hat», sagt Samad Sarferaz, der das Projekt aufseiten der KOF geleitet hat.

Flexibilität dank Elektroautos

Die Schweiz will bis spätestens 2050 fossile Energieträger wie Gas und Öl durch Strom aus Solar- und Windkraftanlagen ersetzen. Neben dem Ersatz fossiler Heizungen durch elektrische Wärmepumpen ist der Wechsel von Benzin- und Dieselautos zu Elektroautos ein zentrales Element dieser Strategie. Bis 2025 soll die Hälfte aller neu zugelassenen Autos in der Schweiz batteriebetrieben sein – 2023 waren es rund 20 Prozent. Da all diese E-Autos regelmässig geladen werden müssen, braucht es neben der entsprechenden Ladeinfrastruktur vor allem mehr Strom.

Was das für das Schweizer Stromsystem bedeutet, untersucht das Energy Science Center (ESC) der ETH als Teil eines Konsortiums im Auftrag des Bundesamtes für Energie. Die ESC-Forschenden weisen darauf hin, dass Elektroautos das Stromsystem sogar entlasten könnten, wenn sie vor allem dann geladen werden, wenn der Strom nicht knapp ist. Doch damit nicht genug: Sind Elektroautos auch in der Lage, Strom dann ins Netz zurück zu speisen, wenn dieser knapp ist, könnte zusätzliche Flexibilität entstehen. Doch ob der Nutzen dieses sogenannten bidirektionalen Ladens die derzeit noch hohen Kosten für die Ladeinfrastruktur aufwiegt, ist aus Sicht der Forschenden noch offen.

«Ob Elektroautos in Zukunft die Schweizer Stromnetze be- oder entlasten, hängt massgeblich vom Ladeverhalten der Besitzerinnen und Besitzer ab. Dynamische Strompreise können eine zentrale Rolle spielen, um die richtigen Anreize zu setzen und das volle Flexibilitätspotenzial von Elektroautos zu nutzen», erklärt Jonas Savelsberg vom ESC. Mit diesen und ähnlichen Erkenntnissen trägt das ESC zu einem besseren Verständnis des zukünftigen Energiesystems bei und liefert der Politik und Verwaltung die notwendigen Grundlagen, um die Regulierung der Stromtarife optimal zu gestalten.

Gewappnet gegen Cyberangriffe

Die Bundesverwaltung ist immer wieder das Ziel von Cyberangriffen. So wurden im Januar 2024 mehrere Webseiten des Bundes lahmgelegt. Im schlimmsten Fall können solche Attacken wichtige Funktionen der Verwaltung und der Armee beeinträchtigen. Der Schutz davor hängt neben der technischen Infrastruktur vor allem vom Verhalten der Mitarbeitenden ab. Ein Klick auf einen Link in einer Phishing-Mail oder die Verwendung eines kompromittierten USB-Sticks genügen, um ganze IT-Systeme und Betriebsabläufe zu gefährden, wertvolle Daten zu verlieren und die Reputation der Verwaltung zu schädigen.

Damit das im Eidgenössischen Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) nicht passiert, sensibilisiert Céline Herren dessen Mitarbeitende für die gängigen Cyberrisiken. Sie hält Vorträge und Workshops, konzipiert E-Learning-Module und wirkt an Informationskampagnen des Departements mit. Um sich als ausgebildete Psychologin ohne Informatikhintergrund die technischen Grundlagen im Bereich Cybersicherheit anzueignen und neue Risken besser einschätzen zu können, hat sie im Herbst 2023 das CAS ETH in Cyber Security absolviert.

«Durch die Weiterbildung habe ich ein vertieftes Verständnis für die aktuellen Herausforderungen und Trends im Bereich Cybersicherheit erlangt. Dieses Know-how ermöglicht es mir, unsere Mitarbeitenden umfassender zu informieren und bessere Lehrmittel zu entwickeln», sagt Herren und ergänzt: «Die Kurse waren zum Teil technisch anspruchsvoll. Doch wenn das erworbene Wissen dazu beitragen kann, Cyberangriffe auf das VBS besser abzuwehren und zu bewältigen, hat sich der Aufwand gelohnt.»